Project:
Contact:
Object:
Type:
case study
Location:
Apolda [satellite]
Country:
Germany
Architect:
Prof. Achim Menges 🔗, Uni Stuttgart; Hans Drexler 🔗, Jade-HS Oldenburg
Materials:
structural timber construction
Published:
d+h 06/2019
Pages:
48 - 51
Content:
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"Timber Prototype House", Apolda

Ökologisch, regional digital

Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen wird derzeit in Apolda ein monomaterieller Versuchsbau gezeigt: Sowohl sein Tragwerk, seine konstruktiven Verbindungen wie auch seine Dämmung bestehen ausschließlich aus Holz.
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"Im Großen und Ganzen ist das eine Blockhütte für das 21. Jhd., die die Prinzipien des klassischen Blockbaus durch digitale Möglichkeiten so erweitert, dass wir den Ansprüchen an die Leistungsfähigkeit sowohl im Sinne des Tragwerks, der Architektur, aber auch der Bauphysik gerecht werden!" So umschreibt Prof. Achim Menges, Leiter des Instituts für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) an der Universität Stuttgart dieses Forschungsprojekt, das er zusammen mit Prof. Hans Drexler von der Jade Hochschule Oldenburg wissenschaftlich begleitet hat. Letzterer unterrichtet dort konstruktives Bauen mit Schwerpunkt Holztechnik.
Im Vorfeld hatten Menges und Drechsler einen Forschungsantrag gestellt, der auf einem vorherigen Projekt zum Thema "Holzmassivbau" an der Jade Hochschule in Oldenburg aufbaute und hochdämmende Holzmassivkonstruktionen zum Gegenstand hatte. Die Fördermittelgeber des Bundes und von "Zukunft Bauen" bewerteten diese neuerliche Eingabe positiv, wodurch der finanzielle Rahmen zur Deckung der Planungs- und Forschungskosten gegeben war.
Die Aufgabenstellung formulierte die Entwicklung einer monomateriellen, hoch dämmenden Holzmassivbauweise, bei der als zweite programmatische Komponente ein hochdigitalisiertes Planen und Produzieren, vertreten durch das ICD, hinzukam. Dritter Faktor war neben dem Monomateriellen und dem maximal Digitalen noch der Einsatz regionaler Ressourcen, nämlich Nadelholz aus Thüringen, um ein Optimum an Nachhaltigkeit und geringem CO2-Bedarf auch in der Produktion zu gewährleisten.
Kein klassischer Architekturentwurf
"Wenn man so will, kann man das Projekt als ein BIM- Projekt (Building Information Modelling) bezeichnen, wobei die Verwendung des BIM- Standards hier nicht so im Vordergrund stand!", erläutert Tobias Haag, zuständiger Projektleiter bei der IBA Thüringen. Denn das Gebäude ist nicht mehr im klassischen Sinne entworfen worden, vielmehr wurden seine Parameter, sprich eine Definition von konstruktiven Bedingungen, in eine parametrische Software eingegeben. Entschieden wurde etwa, dass eingefräste Dämmschlitze natürlich nicht offen liegen dürfen, da sonst in diesen ein kühlender Luftwechsel entsteht. Deshalb wurde entlang der Holzkanten eine 4 cm breite Leerspur festgelegt, die einen leichten Versatz der Rahmenelemente zueinander ermöglicht.
In dem Moment, in dem letztlich alle möglichen Variablen des Algorithmus definiert waren, verwandelte sich der eigentliche Entwurf zu einer Nebensache: Mit lockerer Hand zog man mit der Maus nun am Bildschirm einige Hüllkurven und der Computer begann daraufhin, die komplette Ausführungsplanung zu entwickeln und errechnete in der Folge direkt die Steuerungsdateien für die CnC- Fräse.
"Hier zeigt sich der enorme Vorteile einer computerbasierten Produktion!", erläutert Haag. "Dem Roboter ist die Position letztlich egal, in der er seinen Fräskopf exakt am Material ansetzt. Ein Handwerker muss hierfür mit Anschlägen arbeiten, die er jedes Mal geringfügig umsetzen muss. Letztlich ein immenser Mehraufwand im Handling!"
Nachhaltig regional
Das erforderliche Rohholz wurde dem Forschungsprojekt durch den Thüringer Forst gestiftet. Das Material wird als ausgesprochen regionaltypisch eingestuft, da das Bundesland sehr waldreich ist. Es handelt sich um reguläres Fichtenholz, das auf ein Balkenmaß von 10x20cm geschnitten wurde. Es ist das Standardmaß, bei dem aus einem normal gewachsenen Baumstamm das meiste Material zu einem marktüblichen Kubikmeterpreis gewonnen wird. Gut 100 m³ dieses Standard- Konstruktions- Vollholzes (KVH) wurden unentgeltlich durch die Rettenmeier Holding AG in deren Sägewerk in Wilburgstetten zugeschnitten. Der erste Prototyp eines gefrästen Kantholzes wurde mit einem7-Achs- KUKA- Roboter der UNI Stuttgart gefräst. Das beeindruckende Ergebnis zeigte aber auch, dass ein Fräsen mittels Roboter bei dieser Holzmenge zu lange dauern würde, weshalb die Arbeiten auf einer industriellen CnC- Großfräse - wieder bei Rettenmeier - erfolgten.
Baukonstruktion
In das 10/20er- Fichtenvollholz wurde ein 70 mm tiefer Lamellenkamm eingefräst und es wurden so unventilierte Luftkammern geschaffen, die den ʎ- Wert des Vollholzes von den für Nadelholz üblichen 1,2 auf 0,8 W/(m•K) senkten. Das dämmende Grundprinzip ist mit dem Aufbau eines Hochlochziegels vergleichbar. Damit wurde eine erhebliche Annäherung an den ʎ- Wert von Dämmmaterial erreicht, der zwischen 0,3 - 0,4 W/(m•K) liegt. Jeweils zwei Kanthölzer stoßen an ihren Schmalseiten aneinander, so dass die effektive Wandstärke 40 cm beträgt und damit eine hochbautypische Dimension erhält, die gewöhnlich zwischen 35 - 50 cm zu veranschlagen ist. An den Kopfenden der Kanthölzer fräste die Software eine parametrisierte Eckverbindung ein, die ebenfalls vom Stuttgarter ICD entwickelt wurde und die von einer klassischen Schwalbenschwanzverbindung inspiriert ist. Sie ermöglicht dem Handwerker ein einfaches, jedoch präzises Zusammenstecken der Hölzer im 90°-Winkel, wodurch der umlaufende Gebäuderahmen überhaupt erst entsteht. Auch die hintereinander sitzenden Kanthölzer sind monomateriell miteinander verbunden. Dafür verwendete man Buchenholzbolzen, die durch Bohrungen leimfrei mit Pressluft in die Hölzer geschossen wurden. Im benachbarten Kantholz findet sich an der entsprechenden Stelle eine längs verlaufende Nut, in die diese Bolzen dann eingreifen.
Unter dem Mikroskop gehen diese Bolzen eine ähnlich intensive Verbindung zum Bestandsholz ein wie ein Ast in seinem Astloch. So wurde auch mit dem Verbindungsmittel eine Materialhomogenität gewährleistet.
Der gesamte Pavillon besteht aus 440 dieser CnC-gefrästen Kanthölzer, von denen vier jeweils einen Rahmen bilden. Da umlaufend angeordnet, sind Fußboden und Decke konstruktiv nicht von den Wänden zu unterscheiden. Alle Rahmen wurden noch in der Fräswerkstatt zusammengefügt und zu Modulen mit jeweils 8 Einzelrahmen vorkonfektioniert. Diese Einheiten wurden dann schlagsicher verpackt und per LKW an die Baustelle geliefert, wo man sie mit wenigen Metallschrauben zusammenfügte. Diese dem Prinzip widersprechende Lösung dient der schnellen Zerlegbarkeit des Demonstrators, um ihn an anderer Stelle neu aufzubauen.
Außenhaut
Für die Regendichtigkeit wurde der hölzerne Rohbau mit einer diffusionsoffenen, jedoch wasserdichten Membran wie ein Geschenk eingewickelt; sie bildet die wasserführende Schicht. Auf diese wurde, der gestuften Rohbaukonstruktion folgend, eine würfelartige Holzunterkonstruktion aufgebracht, auf welche die Schreiner wiederum eine weiß lasierte, fugenoffene Fassadenlattung montierten. Zahllose Spalten geben den Blick auf die schwarze Membran darunter frei.
Fensterfront
Die gläserne Stirnseite sollte einerseits so einfach wie möglich sein, andererseits auch sinnbildlich für den digitalen Anspruch stehen, weshalb Prof. Menges eine Assoziation zu einem Nur- Glas- Handy- Display wecken wollte. Es ist ein wärmegedämmtes Stufenfalzglas, dessen äußere Scheibe umlaufend um die Holzrahmenstärke, also 40 cm größer als die innere Scheibe ist. Der Randbereich erhielt einen schwarzen Siebdruck; große Mengen Kleber wurden auf dessen Innenseite aufgetragen, während das Glas zur Montage mit Saugnäpfen an einem Autokran hing. Sodann wurde die innere Scheibe bündig in die lichte Öffnung des Holzrahmens eingeschoben, bis das äußere Glas an das umlaufende Holz stieß. Während der Kleberaushärtung wurden um das gesamte "Timber Prototype House" Spanngurte gelegt, mit denen zugleich die Scheiben an Vorder- und Rückseite fixiert wurden.
Kein Leim und Späne
Tobias Haag verweist darauf, dass das verwendete Holz aus gewachsenen Bäumen stammt und man weder Leim noch Holzspäne verarbeitet hat. Großen Wert legte man darauf, dass das Zuschneiden und Fräsen in Faserrichtung erfolgt. So wurde einerseits den konstruktiven Erfordernissen entsprochen, andererseits wirkte man so im Vorfeld austrocknungsbedingten Spannungsrissen konstruktiv entgegen. Dabei wurde jedoch die Tragkraft der Kanthölzer kaum reduziert.
Robert Mehl, Aachen