Project:
Contact:
Object:
Type:
museum
Location:
Düren [satellite]
Country:
Germany
Architect:
Materials:
Published:
SBD 5/2019
Pages:
66 - 75
Content:
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Papiermuseum Düren

Leicht und gefaltet wie Papier

In Düren bei Köln ist das bestehende Papiermuseum einer radikalen Sanierung unterzogen worden. Der einstige Ölhandel aus den 1950er Jahren wurde um einen expressiven Ortbetonflügel ergänzt, der Bestand erhielt eine Trockenbauverkleidung und das Innere wurde komplett neu organisiert.
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Als Klaus Hollenbeck die Anfrage "Papiermuseum" von der Stadt Düren erhielt, fragte er sich zunächst, was dort eigentlich ausgestellt werden soll - Bücher etwa?! Schnell wurde ihm bewusst, dass Papier die Basis unserer gesamten heutigen Gesellschaft bildet. Ohne Papier gäbe es keine Urkunden, keine Landkarten, keine Ausweise, kein Geld.
Den Auftrag erhielt der Planer auf Basis einer Vorstudie, die weitgehend dem realisierten Bau gleicht. Die in Düren wirtschaftlich sehr starke Papierindustrie zeigte sich von der Studie sehr angetan und stellte der Stadt für den Fall eines Museumsumbaus Spenden in Millionenhöhe in Aussicht.
1. Papierhommage: Leichtigkeit und Faltung
Administrativ ist das Papiermuseum dem benachbarten Leopold Hoesch Museum (LHM), einem klassizistischen Palais von 1905 zugeordnet. 2010 erhielt dieses von Peter Kulka eine hochgelobte, zeitgemäße Erweiterung. Klaus Hollenbeck suchte nach einer Bauform, die daneben bestehen kann, gleichzeitig aber das Ensemble nicht sprengt. Im Museumsthema "Papier" fand er die formale Antwort: Leicht wie dieses sollte der Bau wirken. Er betonte den schwebenden Charakter mit einer schmalen schwarzen Sockelfuge. Bewusst rückte er zudem den Bau leicht von der Bauflucht ab, als wäre dieser durch sein geringes Gewicht verrutscht. Schließlich erhielt die Putzfassade einen diagonal verlaufenden Knick, eine origamiartige Faltung.
Weniger leicht war hierzu die Baukonstruktion: Die östliche, dem LHM zugewandte Gebäudehälfte ist ein Ortbetonbau, bei dem diese Faltung schon im Rohbau angelegt wurde. Für eine Verdeutlichung der Schalelemente- Geometrie erstellten die Architekten 1:20-Pappmodelle der Schalungen. Die teilweise geneigten Ortbetonwände erhielten eine klassische Mineralfaserdämmung mit aufgesetzter Metallunterkonstruktion, worauf man eine zementgebundene Faserplatte montierte. Die Plattenstöße wurden mit dünnen Gewebematten überbrückt, bevor man eine dünne Putzschicht darüber zog. Die Westhälfte besteht aus einem Altbau, einem ehemaligen Ölhandel aus den 1950er Jahren, an dessen gemauerten Außenwänden man eine Stahlkonstruktion ansetzte, die bis zu 1,5 m vor diese vorkragt.
2. Papierhommage: Wasserzeichen und Prägung
Der Schriftzug "Papiermuseum Düren" wurde kaum erkennbar als leicht erhabene Putzarbeit angebracht und mit Klarlack überzogen – als bauliche Metapher für die Vorgänge Papier zu prägen oder mit Wasserzeichen zu versehen. Je nach Stand der Sonne erscheint die Wandfläche nun weiß und die Schrift grau oder beides invertiert; manchmal erkennt man die Schrift auch gar nicht. Ebenso vage ließ Hollenbeck neben dem OG- Fenster das Stadtwappen von Düren anbringen, das man - flüchtig betrachtet - für einen QR- Code hält.
"Papier ist emotional!"
Klaus Hollenbeck wählte zusammen mit der Kuratorin Caroline Kaiser diesen Claim als erste Kernaussage der neuen Dauerausstellung aus; ihre zweite Feststellung attestiert, dass "jeder eine Beziehung zu Papier hat." Was trivial klingt, muss aber erst einmal als solches erkannt werden. Insofern gliederte man die Ausstellung in fünf Bereiche: Geschichte, Wertschöpfung, Visionen, Ordnung und Kunst. Vermittelt der erste Bereich zunächst Grundsätzliches zur Papiergeschichte, fokussiert der zweite die Papierproduktion, die im Rahmen der Museumspädagogik auch aktiv nachvollzogen werden kann. Es gibt einen sogenannten "Holländer", ein Gerät zum Zerreißen der Fasern, eine riesige Schöpfbütte und schließlich eine 500 kg schwere Papierpresse. Alle drei Geräte mussten statisch auf separaten Fundamenten stehen; zudem war für die bewusst um 20 cm erhöht angelegte "Wertschöpfungsinsel" eine eigene Drainage erforderlich. Gerade bei diesem Themenbereich war die Personalunion von Ausstellungsmacher und Architekt ausgesprochen vorteilhaft.
Buch zur Eintrittskarte
Mit der Eintrittskarte erhält jeder Besucher ein Buch als persönliches Geschenk. Es ist ein "Erklärbuch" anstelle eines typischen Audio- Guides und kein Katalog – zu lesen als Hommage an die Buchkultur, für die Papier eben auch steht. Lediglich zu dem Bereich "Ordnung" finden sich darin keine Einträge – dieser befasst sich mit der veränderten Papierverwendung in heutiger Zeit, zunehmend als Verpackungsmaterial. Denn, obwohl klassische Bereiche wie die Medien verstärkt "papierlos" agieren, wird davon so viel hergestellt wie nie zuvor. Entsprechend sollen hier die Besucher die Ausstellungsinformationen per QR- Code mit dem eigenen Handy abrufen.
Kontrovers wurde im Vorfeld diskutiert, was ein Besucher macht, wenn er kein Handy besitzt oder dies zu alt für die verendete Software ist. Klaus Hollenbeck gibt die zeitgemäße Antwort: "Wenn man nicht mit der Zeit geht, ist man raus...!".
Was zunächst unfassbar arrogant klingt, spiegelt letztlich unseren heutigen gesellschaftlichen Alltag wider – die Digitalisierung ist gnadenlos. Dies zu erkennen, soll ein moralischer Anstoß der Ausstellung sein. Und es soll eine Lanze für das Kulturgut Papier brechen, welches man noch in Jahrhunderten lesen kann.
Robert Mehl, Aachen