Project:
Contact:
Object:
Foamglas 🔗
Type:
insulation material
Location:
Tessenderlo [satellite]
Country:
Belgium
Architect:
Materials:
foamglas producer
Published:
baublatt,18/2025
Pages:
18 - 21
Content:
[article]      
 

Nachhaltiges Dämm- Material

Schaumglas, der bewährte Geheimtipp

Schaumglas ist ein hocheffizienter Dämmstoff, der chemisch betrachtet fast ausschliesslich als Glas ist. Entsprechend besitzt das Material identische Eigenschaften in Hinblick auf Säurefestigkeit, Masshaltigkeit und Langlebigkeit (EPD- PCE-20200300-IBB1-EN, veröffentlicht vom IBU). Unsere Redaktion hat das Produktionswerk im belgischen Tessenderlo besucht.
[no english version available]
Schaumglas ist ein hocheffizienter, anorganischer Dämmstoff, der gemessen an seinen hervorragenden physikalischen Eigenschaften, einen viel zu geringen Bekanntheitsgrad hat. Erfunden und patentiert wurde das Material bereits 1933. Vier Jahre später gründeten die Pittsburgh Plate Glass Company und Corning Glass Works – zwei führende amerikanische Unternehmen der Glasindustrie – die Pittsburgh Corning Corporation, die sich auf besagte Schaumglasherstellung fokussierte. 1942 kam der Dämmstoff unter dem Namen "Foamglas" zur Marktreife. Auf industriellem Niveau wurde der Dämmstoff erstmals in Port Allegany, Pennsylvania (USA) produziert. Seine weitgefächerten Anwendungsmöglichkeiten verhalfen dem neuen Dämmmaterial schnell zu beachtlichen Erfolgen. Ab 1957 wurden Foamglas- Produkte auch nach Europa exportiert. Aufgrund seiner starken Nachfrage wurde schliesslich auch in Belgien eine Schaumglasproduktion gestartet. 1965 ging dafür das logistisch günstig am Albert- Kanal gelegene Produktionswerk in Tessenderlo in Betrieb. Tessenderlo liegt etwa auf halbem Weg zwischen dem Überseehafen Antwerpen und dem Industriezentrum Lüttich. 1969 ging die heutige Pittsburgh Corning Europe (PCE) aus der früheren Pittsburgh Corning Belgien hervor. Im Jahr 2017 wurde Pittsburgh Corning Corporation von Owens Corning übernommen, einem führenden Anbieter von Bauprodukten, der sich durch Materialinnovationen für eine nachhaltige Zukunft einsetzt. Das Unternehmen mit Sitz in Toledo, Ohio, USA, beschäftigt mehr als 25.000 Mitarbeiter in 31 Ländern, die sich dafür einsetzen, Mehrwert für ihre Kunden und Stakeholder zu schaffen und in den Regionen, in denen sie leben und arbeiten, etwas zu bewegen.
Beschaffenheit
Der anorganische Dämmstoff wird aus Recyclingglas und natürlichen Rohstoffen hergestellt, weshalb das Produkt einen beachtlichen ökologischen Beitrag leistet. Der durchschnittliche Recyclinganteil der Foamglas Produkte beträgt 50 %*. Es ist zudem frei von ozonschädigenden Treibhausgasen, Flammschutz- und Bindemitteln.
Zunächst wird in einem Schmelzprozess aus Recyclingglas, Sand, Dolomit, Kalk, Eisenoxid und weiteren Additiven ein Glas mit genau definierten Eigenschaften gewonnen. Diese Glasschmelze wird als zähflüssiger, noch glühender Hohlstrang nach unten aus dem Hochofen abgeführt und besitzt in diesem Moment die Form eines zähflüssigen Glasschlauchs. Dieser glühende Materialstrahl trifft auf eine mit Wasser benetzte Rinne, die ihn aufnimmt und zu einer Aufrollstation führt, wo er zu einem grossen Knäuel aufgewickelt wird. Dieses wird in regelmässigen Sequenzen von dem fortlaufenden Glasstrang abgenabelt und in eine Kugelmühle eingeführt, wo die kaum erstarrte Glasrohmasse sofort wieder zertrümmert wird. Dieser Zwischenschritt dient dazu, einen maximalen Luftanteil in das Mahlgut einzubringen. Nun wird die an gröberen Sand erinnernde Masse in geringer Menge mit Kohlenstoff versetzt und in Metallkästen eingefüllt, die eine Grundfläche von ca. 65 x 50 Zentimetern und eine Höhe von knapp 25 Zentimetern aufweisen.
Mit diesen Kästen wird ein Durchlaufofen beschickt und die Mischung über mehrere Stunden hinweg zu dem Produkt Foamglas "gebacken". Der Kohlenstoff dient dabei als Treibmittel und ist vergleichbar mit der Hefe beim Brot. Der Kohlenstoff ist auch der chemische Grund, weshalb Foamglas leicht faulig riecht, sofern man es durchbricht. Der Geruch ist ein Beleg dafür, dass beim Backvorgang Schwefelwasserstoffe entstanden sind. Dass der Geruch sich noch nach Jahren bemerkbar macht, resultiert aus der geschlossenporigen Dämmstoffstruktur in Form von Mikrobläschen, in denen das Gas eingelagert ist. Der Geruch wird insbesondere als Prüfindiz für ein gut erhaltenes Material gewertet. Bei einer korrekten Anwendung finden innerhalb des Materials nämlich keine Diffusion und auch keine Ausdünstung statt. Erst mit einem mechanischen Aufbrechen der Mikroblasen wird der Schwefelwasserstoff freigesetzt.
Materialschonende Produktion
Um bei der Foamglas- Produktion deren Dampfundurchlässigkeit zuverlässig zu erzielen, ist es erforderlich, dass die entstandenen Glasbläschen nicht zu schnell erstarren und sie keine Risse bekommen. Deshalb müssen die Rohkörper nach dem Durchfahren des Streckofens sehr langsam auskühlen. Dazu werden die Rohlinge unmittelbar nach Verlassen des ersten Ofens aus ihrer Backform entnommen, um anschliessend durch einen zweiten Streckofen geführt zu werden. Darin sinkt die Temperatur langsam von rund 1.000°C auf die normale Aussentemperatur. Nach dem Verlassen dieser Kühlstrasse wird der Foamglas- Rohkörper auf die Standardgrösse von 60 x 45 Zentimeter bei unterschiedlicher Ausführungsstärke geschnitten. Das Produkt ist lieferbar zwischen 5 - 20Zentimetern Dicke in glatten 10 Millimeterschritten. Erst mit dem Zerschneiden erhält der Rohkörper die typische, fast schwarze Porenoberfläche, da dabei die dünne, silbergraue Aussenhaut entfernt wird.
Verarbeitung
Montiert wird der zu flachen Elementen verarbeitete Dämmstoff lose oder durch eine Verklebung mittels bituminösen Kleber oder Heissbitumen. An Wänden wird dies unterstützt mit eigens dafür entwickelten Wandankern aus Metall. Diese werden verdeckt platziert, um eine Wärmebrücke zu vermeiden. Für ein Verkleben der Foamglas- Elemente mit Heissbitumen ist auf den Baustellen ein Wannenofen erforderlich, der am Einbauort aufgestellt wird. Unmittelbar vor der Montage wird das Foamglas- Element mit einem Kleber beschickt oder leicht in das Bitumen eingetaucht und sofort an der vorgesehenen Stelle platziert.
Je nach U- Wert- Anforderungen kann Foamglas ein- oder zweilagig aufgebracht werden. Die Gesamtstärke orientiert sich an den bauphysikalischen Erfordernissen. Die Foamglas- Schichten werden versetzt zueinander verlegt, um eine Dampfdichtheit in den Stössen sicherzustellen. Bei Dachkonstruktionen wird eine alles abdeckende Bitumenschicht aufgebracht. Diese kann in klassischer Manier mit einer Gieskanne appliziert und mit einem einfachen Abzieher verteilt werden. Es kann aber auch das Produkt Foamglas- Ready- Board verarbeitet werden, das bereits werkseitig eine Bitumenschicht aufweist. Hier braucht es keinen zusätzlichen Bitumenofen, sondern lediglich einen Dachbrenner für eine wasserdichte Verschmelzung der abdeckenden Bitumenlage.
Schaumglas altert nicht!
Auch nach Jahrzehnten kann Schaumglas saniert werden: Dazu wird die Abdichtungsfolie flach zur Seite hin abgezogen, womit automatisch eine neue, vollkommen ebene, jedoch gänzlich unbeschädigte Foamglas- Oberfläche in einem Arbeitsgang freigelegt wird. Akustisch erinnert dieses Abreissen an das Öffnen eines Klettverschlusses. Physikalisch findet hier eine Art Dominoeffekt statt, bei dem eine kollabierende Glasblase die benachbarte in Mitleidenschaft zieht. Dieser Effekt spielt sich jedoch nur auf der vordersten, bzw. der obersten Ebene ab. Es entsteht eine vollkommen gleichmässige und wie neu erscheinende Oberfläche der alten Foamglas- Dämmung. Sie kann nun ohne weitere Massnahmen ertüchtigt, d.h. neue Lagen des Dämmstoffs können direkt darauf aufgebracht werden.
Produktionssteigerung
Die steigende Nachfrage in Europa machte 2008 den Ausbau der Produktionskapazitäten für Foamglas- Dämmprodukte erforderlich und im tschechischen Klásterec wurde ein weiteres Werk eröffnet. Die Produktion erfolgt hier auf Basis einer neuen Technologie, bei der das Material nicht mehr in Metallkästen gefüllt, sondern als behälterloses, kontinuierliches Materialband die Öfen durchläuft. Dieses Verfahren hat die Foamglas Herstellung revolutioniert, da damit die Produktionskapazitäten gesteigert und gleichzeitig der Energiebedarf gesenkt werden konnte.
Langlebig bauen
Foamglas- Dämmung kann – wie zuvor beschrieben – auf einfache Weise ertüchtigt werden. Sollte es hingegen zurückgebaut werden, lässt sich das Material unproblematisch als rein mineralischer Baustoff entsorgen. Zur Anwendung kam es vielfach bei Premiumobjekten, wie etwa dem grossen Berliner Reichstagsumbau von 1999 durch Sir Norman Foster oder dem bekannten Grande Arche im Pariser Stadtteil La Défense, der 1989 von Johan Otto von Spreckelsen und Paul Andreu geschaffen wurde. Auch in dem bereits 1959 fertig gestellten New Yorker Guggenheim Museum, einem Spätwerk des amerikanischen Stararchitekten Frank Lloyd Wright, kam bereits eine Foamglas- Dämmung zur Anwendung. Dieser Umstand belegt eindrucksvoll die Foamglas- Lebensdauer, die mit mehr als 60 Jahren angesetzt wird. Die hohe Dauerhaftigkeit des Dämmsystems minimiert auch den Sanierungsbedarf. Die angeführten Beispiele dokumentieren anschaulich den Weitblick der Investoren. Ein kostengünstiges Bauen mag zwar eine kurzfristige Rendite einbringen, die preisreduzierten Konstruktionen erhöhen jedoch langfristig die Aufwendungen bei der Gebäudesanierung. Auch vor diesem Hintergrund erscheint der Einsatz von Foamglas- Dämmung nicht nur sinn- sondern auch wertvoll!
Die zehn Pluspunkte
Der Dämmstoff Schaumglas besitzt gegenüber anderen Dämmmaterialien zehn vorteilhafte Eigenschaften, auch nachzulesen in den Produktdatenblättern:
Wasserabweisend
Schaumglas ist wasserabweisend, weil es aus geschlossenen Glaszellen besteht.
Schädlingsresistent
Schaumglas ist uninteressant für Schädlinge aller Art. Weder Nagetiere, wie Mäuse oder Ratten, noch Insekten, wie Ameisen oder Termiten, verursachen Frassschäden an dem Material.
Druckfest
Schaumglas ist aufgrund seiner Glasstruktur stauchungsfrei und druckfest, auch bei Langzeitbelastung. Das Material ist in verschiedenen Druckfestigkeiten erhältlich. Es unterscheidet sich hauptsächlich in den Durchmessern seiner Mikroblasen voneinander. Je grösser diese sind, desto besser dämmt das Material, aber desto weniger druckstabil ist es auch. Grundsätzlich kann die Druckfestigkeit so weit erhöht werden, dass – einen entsprechenden Überbau vorausgesetzt – die Dämmung auch mit Schwerlasten befahrbar ist.
Nichtbrennbar
Schaumglas kann entscheidend zum vorbeugenden Brandschutz beitragen. Gemäss der Baustoffklassifizierung nach EN 13501: A1 wird es als nicht brennbar eingestuft und entwickelt keinen Qualm oder toxischen Gase. Glimm und Schwelbrände können ausgeschlossen werden.
Dampfdicht
Schaumglas ist wasserundurchlässig. Bei seiner Verwendung als Dämmmaterial ist eine Dampfsperre, etwa in Form einer eingelegten Folie, nicht erforderlich.
Massbeständig
Schaumglas ist massbeständig, da Glas nicht die physikalische Eigenschaft besitzt, zu schrumpfen oder aufzuquellen.
Säurebeständig
Schaumglas ist materialbeständig gegen organische Lösungsmittel und Säuren, da es aus Glas besteht, wie etwa chemisch neutrale Reagenzgläser. Leicht zu bearbeiten
Schaumglas ist leicht zu bearbeiten, da seine Glaszellen dünnwandig und sehr spröde sind.
Ökologisch
Schaumglas ist frei von Flammschutzmitteln und Treibgasen und der durchschnittliche Recyclinganteil der Foamglas Produkte beträgt 50 % (Gewichteter Durchschnitt basierend auf der Gesamtmasse der auf den Markt gebrachten Endprodukte. Berechnung gemäss ISO 22095, Methode des gleitenden Durchschnitts). Hervorragend sind neben seinen Dämmeigenschaften auch die hohe Lebensdauer (EPD- PCE-20200300-IBB1-EN, veröffentlicht vom IBU).
Strahlungsschutz
Foamglas Dämmung hilft beim Schutz vor der radioaktiven Strahlenbelastung, die durch die Zerfallsprodukte von Radon entsteht und oft aus dem Erdreich aufsteigt.
Robert Mehl, Aachen
https://www.baublatt.ch/baupraxis/nachhaltig-doch-kaum-bekannt-daemmen-mit-schaumglas-37979
Foamglas: am Werkstor in Tessenderlo
Foamglas: Abziehen der Schutzfolie
Foamglas: Ablegen der Foamglas-Platten in einem Heissbitumenbett
Foamglas: Aufschweissen einer Bitumendachbahn
Foamglas: Fertig montierte Foamglasplatte
Foamglas: Verdeckter Wandanker
Foamglas: Wandmuster im Showroom
Foamglas: Flachdachmuster im Showroom