Project:
Contact:
Object:
Leonardo Showroom
Type:
exhibition building
Location:
Bad Driburg [satellite]
Country:
Germany
Architect:
3deluxe 🔗, Wiesbaden
Materials:
concrete, dry construction, glass
Published:
Beton + Fertigteiljahrbuch 2008
Pages:
22 - 27
Content:
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Der „glass cube“ in Bad Driburg

Weg im Fluss

 
[no english version available]
Die in Bad Driburg ansässige glaskoch GmbH wünschte sich für Ihre Marke Leonardo ein neues Präsentationsforum, das einen loungeartigen Club- Charakter besitzen sollte. In dem ausschließlich Großkunden und Geschäftspartnern vorbehaltenen Bau, sollten die Produkte in einem wohnlichen Kontext erscheinen, dem jedoch ein ordentliches Maß an Exklusivität und Extravaganz innewohnt. Das Ergebnis ist ein gläsernes Objekt, „glass cube“ genannt, dessen Fassade wie Wachs in der Sonne zu schmelzen scheint: Man meint zähe Schlieren einer undefinierten, grau-weißen Materie zu erkennen, die von dem kristallenen Körper herunterfließt und sich durch das grüne Gras mäandernd seine grauen Bahnen sucht, hinab von der kleinen Hügelspitze, auf welcher der exponierte Körper ruht. Beim Nähertreten entpuppen sich die Schlieren als ein netzartiges Wegesystem aus organisch geformten Betonfertigteilen, das zum Eingang des quadratischen Ausstellungspavillons führt.

Das Wegenetz

Erstellt wurden die 10 cm starken Elemente von der Firma Shapers aus Mönchengladbach. Sie bestehen aus Dyckerhoff Weißzement. Zur Gewährleistung der vorgeschriebenen Rutschfestigkeit wurden die Fertigbetonteile nachträglich mit Salzsäure behandelt. Die oberste glatte Schicht wurde soweit abgesäuert, bis die ersten größeren Körner des weiß- bis beigefarbenen Zuschlags an die Oberfläche traten. Die Elemente fügen sich allesamt in ein Raster von 4 m auf 2,50 m ein, das jedoch aufgrund der organischen Ausformung kaum wahrnehmbar ist. Sie wurden konventionell in einem Fertigteilwerk auf Rütteltischen gegossen. Ausschlaggebend für die Wahl von Betonfertigteilen war für die Architekten der Planungsgruppe 3deluxe nicht der serielle Aspekt der Technologie sondern vielmehr die hohe Ausführungsqualität und Bauteilpräzision. Entsprechende positive Erfahrungen hatte das Wiesbadener Kreativteam bei seinem letzten großen Bauvorhaben in Frankfurt gemacht. Dabei handelt es sich um den bekannten Cocoon- Club, der im Beton + Fertigteil Jahrbuch 2007 auf den Seiten 42 bis 47 ausführlich vorgestellt worden ist.
Tatsächlich sind alle 187 Gehwegtafeln Einzelstücke, für die jeweils mittels einer CNC Fräse 1:1 Muster aus kaschierten Multiplexplatten gefräst worden sind. Was sehr aufwändig klingt, erwies sich als hochgradig effizient im Baufortschritt, erforderte jedoch eine ausgeklügelte Logistik: Die Holzmuster wurden in einer Doppelfunktion genutzt. Zuerst wurden anhand von ihnen die Absteller auf den Rütteltischen im Fertigteilwerk justiert, danach wurden sie abschnittsweise an die Baustelle geliefert, wo sie als Schablone zum Einrichten des Untergrundes insbesondere der Sauberkeitsschicht dienten. So konnte das etwa 15 cm starke Fundament aus Magerbeton exakt im Verlauf der geschwungenen Tafelkante gegossen werden. Die Fertigteile wurden darauf in einem 3 cm starken Mörtelbett verlegt. Unschöne, seitlich vom Weg hervortretende Magerbetonnester wurden so vermieden und erleichterten maßgeblich die abschließende Begrünung der Zwischenräume des amorphen Wegenetzes. Problemlos konnte der eingebrachte Rollrasen bis unmittelbar an die Fertigteile herangeführt werden, welche monolithisch-erhaben auf dem Terrain aufliegen: Die Oberkante der Rasenfläche ist nämlich mit der Oberkante des Gehwegfundamentes identisch.
Die Erhebung, auf welcher der Bau ruht, ist künstlicher Natur. Sie verbirgt ein Sockelgeschoss, das diskret das umfangreiche Raumprogramm aufzunehmen hilft und durch die Hügelbildung gewissermaßen als Präsentierteller fungiert, welcher den aufgesetzten gläsernen Pavillon zu einem Solitär erhebt. Aus dieser teilweisen Unterkellerung der umgebenden Rasenfläche und der netzartigen Zuwegung ergab sich die Notwendigkeit, die Betonfertigteile auch über Flachdachbereiche zu führen. Bemerkenswerterweise unterscheidet sich die Fundamentausführung der Gehwegelemente in diesen Abschnitten kaum von den auf gewachsenem Untergrund. Das in Ortbeton erstellte Flachdach wurde zunächst in konventioneller Weise mit Hartschaum gedämmt und mit Bitumenbahnen abgedichtet. Hierauf wurden dann die knapp 20 cm starke Untergrundschicht für die Gehwegtafeln errichtet und die Zwischenräume in gewohnter Weise allerdings mit einer zusätzlichen Drainageschicht mit Erdreich verfüllt. Schließlich wurden die durchnummerierten Fertigteilemente an ihre Position gesetzt und der Rasen eingebracht.

Das Gebäude

Auch wenn im Inneren des Gebäudes auf eine räumliche Abtrennung mittels Türen weitgehend verzichtet wurde, so teilt sich der Präsentationsbereich in zwei atmosphärische Zonen: Einen lobbyartigen Umgang entlang der umlaufenden Glasfassade und der zweigeschossige, amorph geformte Showroom im Zentrum. Während das Basislevel dieses knapp neun Meter hohen Raumes im Untergeschoss angeordnet ist, erreicht man vom Eingang aus eine emporenartige Brücke, die quer durch das Volumen spannt und das Rückgrat der Erschließung bildet. Während zwei geschwungene Treppenläufe von dieser Durchwegung hinab auf das Basislevel führen, leitet eine kurze Stufenfolge hinauf zu einem intimeren Loungebereich. Mit ihm entsteht eine weitere kanzelartige Ebene. Im Untergeschoss finden sich zahlreiche Räume, die den eigentlichen Showroom ergänzen. Neben den üblichen Sanitärzonen, einer Küche und einem Lager sind vor allem die zwei großen Konferenzräume und ein Mustershop von herausragender Bedeutung. Während die Erstgenannten vorwiegend zur Fortbildung des Filialpersonals genutzt werden, dient das Mustergeschäft vornehmlich dazu, Präsentationsstrategien zu entwickeln und die Produkte in einer idealisierten Auslage zu fotografieren. Belichtet werden die Bereiche zum einen anhand der Glastrennwände, die zum lichtdurchfluteten Zentralraum des Gebäudes vermitteln, und über zwei großzügig angelegte Lichthöfe, die den Kunsthügel muldenförmig massiv und doch auf die Distanz kaum merklich perforieren.

Die Fassade

Omnipräsent in dem gesamten Gebäude ist die gläserne Fassade. Die 6 Meter hohen und 2,50 breiten VSG- Scheiben stellen die Maximalgröße dar, die in Glas derzeit hergestellt und verarbeitet werden kann. Jede Scheibe besitzt eine individuelle aufgedruckte Textur, Visual genannt. Sie stellt eine Melange dar aus den 3deluxe typischen Schlierenmotiven und aus Zitaten der unmittelbaren Umgebung und Natur. Schemenhaft wird hier der Waldrand samt grasendem Pferd adaptiert oder die angrenzende Industriebebauung. An anderer Stelle werden die Horizontlinie zitiert oder Wolkenformen nachgeahmt. Die formale Idee ist eine optische Verschmelzung dieser Impressionen mit der dahinter befindlichen Realität, welche zu einer Verfremdung und Abstraktion der Umgebung führen soll. Eine Dynamik wird dadurch gegeben, dass sich die natürlichen Lichtverhältnisse durchweg ändern, sich Spiegeleffekte dadurch einstellen, die mal das Glasvisual und mal die Realität in den Vordergrund bringen. Ein Novum bei den farbigen Glasscheiben stellt die Drucktechnik dar. Tatsächlich wurden hier transparente Farben auf die VSG- Folie aufgebracht. Die hier verwendete Technik hat gegenüber der üblichen Rastertechnik, die man etwa von der Linienbuswerbung her kennt, drei große Vorteile: Die Motive können wirklich von beiden Seiten wahrgenommen werden, es gibt keine hässlichen Rasterpunkte und der belichtete Raum wird bei weitem nicht so massiv abgedunkelt.
Die in einer faszinierenden Weise bedruckte Glasfassade verleiht dem Bau den Charakter einer gläsernen Schatzschatulle, die einen bemerkenswerten Reichtum kreativer Ideen in sich birgt. Perfekt wirkt diese Inszenierung durch die einzigartige Zuwegung. Sie verleiht dem Objekt die Aura einer Pilgerstätte. Vielleicht für eine neue Stilrichtung in der Baukunst.
Robert Mehl, Aachen