Project:
Contact:
Object:
Type:
University of Applied Sciences
Location:
Country:
Austria
Architect:
baumschlager eberle 🔗, Lustenau
Materials:
producer aluminium-façade: GIG 🔗, Attnang
Published:
metallbau 06/2022
Pages:
44 - 46
Content:
[article]      
 

Erweiterung Uni- Campus, Krems/Österreich

Metallfasade fordert Präzision

Der gemeinsame Campus von Uni und FH im niederösterreichischen Krems wird derzeit durch ein Ensemble aus vier Gebäuden erweitert. Die Neubauten weisen eine aufwändig gekantete Vorhangfassade auf, die in ihrer Komplexität über den üblichen Fassadenbau hinausgeht.
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Ein alter Witz besagt, dass zwischen Krems und Stein noch ein "und" liegt. Tatsächlich liegt auf der früheren Stadtgrenze, der beiden bis 1938 selbstständigen Kleinstädte ein ehemaliges Minioritenkloster, um dessen Umfeld es im Weiteren geht.
Heute gilt die nur noch unter Krems firmierende Städtefusion als die heimliche Hauptstadt des Bundeslandes Niederösterreichs. Nordwestlich von Wien an der Donau gelegen, bildet es das Einfallstor in die Wachau, einer mit Höhenburgen bestandenen Tallandschaft, die mit dem Mittelrheintal vergleichbar ist. Wie dieses ist die Wachau, u.a. unter Berücksichtigung der Altstädte von Krems und Stein ebenfalls als Weltkulturerbe der Unesco gelistet. Entsprechend sind Tourismus und auch der Weinanbau in dieser Region zwei bedeutende Wirtschaftsfaktoren. Deshalb ist vor gut 25 Jahren in und um das eingangs erwähnte Minoritenkloster ein Universitätscampus eingerichtet worden, wo man u.a. Tourismus und Weinbau studieren kann.
Angesiedelt sind hier die Donau- Universität Krems (DUK), das international management center (imc) FH Krems und das Zentrum für Film. Während die DUK eine vom Land Niederösterreich betriebene Universität für berufsbegleitende Weiterbildung ist, konzentriert sich imc als halbstaatliche Hochschule auf die Bereiche Gesundheitsvorsorge, Betriebswirtschaft und Tourismus.
Zwischen 2002 und 2005 erfuhr der ehemalige Konvent zusammen mit einer benachbarten, früheren Tabakfabrik eine erste große Umformung durch das heute in Paris ansässige Architekturbüro von Dietmar Feichtinger. Dessen Entwurf baute auf einem städtebaulichen Masterplan des Vorarlberger Architekturbüros Baumschlager Eberle auf. Diese definierten darin nördlich des Altbaubestandes in west-östlicher Richtung eine Campus- Promenade, an deren Ostende sie das neue Hauptgebäude der imc platzierten. Feichtinger setzte dies mit einem nördlich dieser Promenade liegenden kammartigen Entwurf um, wo er u.a. die Mensa und das Audimax unterbrachte. Darüber hinaus verband er alle neuen und alten Campus- Bauten untereinander mit zahlreichen verglasten Gebäudebrücken (Skywalks).
Aktuelle Erweiterung
Knapp Zwanzig Jahre später erfährt nun der Kremser Universitätscampus im Bereich der imc seine zweite Erweiterung. Vier neuen Hochbauten wurden dafür vom Urheber des ursprünglichen Masterplans, dem Architekturbüro Baumschlager Eberle nun selber entworfen. Das neuerliche Konzept berücksichtigt die einstigen Maßgaben und führt die Grundidee einer fußläufigen Magistrale fort. Bei den Neubauten handelt es sich vornehmlich um Büro- und Verwaltungsgebäude der expandierenden imc.
Während Feichtinger's hiesige Universitätsbauten von markanten Glasflächen hinter starren Vertikallamellen geprägt ist, werden die entstehenden Neubauten von Metallfassaden geprägt, die von geschosshohen Lochfenstern gegliedert sein werden. Konstruktiv erfolgt die Ausgestaltung der Fassade mittels hinterlüfteten Aluminiumpanelen, die farblich in verschiedenen Grautönen der RAL 9000er RAL- Farbreihe sind. Der Lauf der Sonne wird darauf ein changierendes Spiel aus Licht und Schatten generieren. Optisch geprägt ist die Vorgehängte hinterlüftete Fassade Rainscreen- Fassade von stehend aufgestellten, längsrechteckigen, pulverbeschichteten Metallpaneelen Blechkasetten. Diese aus 3 mm starken Aluminiumblechen gefertigten Elemente sind vielfach gekantet und ihre Flanken meist bis tief in die Fensterleibungen geführt, so dass diese eine kassettenartige Anmutung erhalten. Mit der Produktion und Ausführung beauftragt ist die GIG Fassaden GmbH. Insgesamt werden durch sie 13.000 m² Fassadenfläche ausgeführt, rd. 9.500 m² bestehen aus geschlossenen Blechen, in denen in einem regelmäßigen Rhythmus 952 geschosshohe Fenster eingebaut werden. Die hinterlüftete Blechfassade wird vor einer Lochwand aus Ortbeton erstellt und sorgt u.a. mit einer bis zu 300 mm starken mineralischen Wärmedämmung für eine ausgezeichnete Energiebilanz der neuen Gebäude. Die Fenster werden eine Dreifachisolierverglasung ohne Tönung erhalten, um einen HI- Standard (High- Insulated) zu gewährleisten. Um ein unabsichtliches Abstürzen künftiger Nutzer zu vermeiden, sind die geschosshohen Fenster regulär verschlossen, für Wartungszwecken sind sie jedoch dearretierbar und regulär zu öffnen.
Wetterfeste Ausführung
Die grundlegenden Fassadeneigenschaften wurden an einem 1:1 Mock-up vor Ort optisch und funktionell geprüft und durch die Architekten freigegeben. So sind - um Zwängungen zu vermeiden - die pulverbeschichteten Bleche nicht miteinander verbunden, sondernmit Los- und Fixpunkten an der Unterkonstruktion befestigt. Die Regenwasser abführende Ebene ist die Vorderkante der Fassadenbleche, alle Schattenfugen sind schlagregendicht ausgeführt. Etwaiges, trotzdem eindringendes Wasser wird über die nach innen gerichtete, rinnenartig angelegten Abkantungen wieder nach außen geführt. Regenwasser, das auf die Sohlbänke trifft, fließt auf diesen nach vorne, wo es dann über Tropfkanten abgeleitet wird.
Eigene Herstellung
Die GIG Fassaden GmbH zählt an ihrem Standort Attnang- Puchheim derzeit rd. 170 Mitarbeiter. Anhand ihrer dortigen, gut ausgestatteten Werkstätten Fertigung und dem hauseigenen, ca. 30 Mitarbeiter zählenden technischen Büro, ist es ihr möglich, sowohl hoch spezialisierte Fassadenkonstruktionenselbst zu fertigen, wie auch die dafür erforderliche Werk- und Montageplanung zu übernehmen. Mit dem State-of-the-art- Maschinenpark können hier Fassadenelemente von bis zu 6 m Länge präzise zugeschnitten um umgeformt werden. Bevor die Blechteile fertig konfektioniert zur Baustelle geliefert werden, erfolgt noch die Pulverbeschichtung in einem Partnerbetrieb. Neben einem teilautomatisch gesteuerten Stanzen und Scheren bietet das Unternehmen in seiner Blechwerkstatt die Möglichkeit an, Bleche teilautomatisch zu nibbeln.
Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem Blechstücke verzugsfrei aus Blechen herausgetrennt werden. Dazu wird das Schneidwerkzeug mit einer entsprechenden, dem jeweiligen Bedarf angepassten Gegenmatrize gekontert. Im Gegensatz zu Wasserstrahl- oder Laserschneidverfahren können im gleichen Arbeitsgang auch umformende Bearbeitungsschritte wie etwa ein Senken oder ein Gewindeschneiden vorgenommen werden. Belüftungskiemen, wie man sie an Computergehäusen findet, sind dafür beipielhaft. Während die GIG Fassaden GmbH grundsätzlich die Planung und Produktion in Eigenleistung ausführt, werden für das Anbringen der Elemente auf der Baustelle Montagepartner beauftragt, die von der zuständigen Projekt und Bauleitung vor Ort überwacht werden.
Herausfordernde Qualität
Gerhard Haidinger, Geschäftsführer der GIG Fassaden GmbH stellt fest, dass die Aufgabenstellung, Betonwände mit einer Blechfassade zu verkleiden, welche zudem einen integrierten Sonnenschutz aufweist, eine herausfordernde Qualität besitzt. Denn überdies ist hier mit reduzierten Toleranzen zu arbeiten, da der Bau innenseitig ein Sichtbetonbau ist. Darüber hinaus wünschen sich die Architekten in der Außen- wie Innenansicht sehr schlanke Fenster und besonders schmale Fugen. Entsprechend müssen alle Führungen präzise angelegt sein, zumal der integrierte Sonnenschutz in eingefahrener Position von den Blechelementen vollständig verdeckt werden soll. Die dafür erforderliche, exakte Arbeitsweise braucht in der Kombination mit der erwähnten, dreidimensionalen Paneeldurchformung den Vergleich mit einer Automobilkarosserie nicht zu scheuen.
Nachhaltigkeit
Untersuchungen des österreichischen Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), die auf der Website www.klimaaktiv-gebaut.at einsehbar ist, stufen den Neubau als "klimaaktiv" ein. Dabei zählt der Gebäudestandard "klimaaktiv" im deutschsprachigen Raum zu den erfolgreichsten Gütesiegeln für nachhaltiges Bauen und Sanieren. Festgestellt wurde darin, dass Aluminium zu 100 % recyclingfähig ist und dafür lediglich 5 % der ursprünglich erforderlichen Primärenenergie erforderlich ist. Infolge der Kombination dieser Tatsache und der Verwendung von CEM III im Rohbau, also von einem Beton, bestehend aus recyceltem Zuschlag und CO2 reduziertem Zement, wird dem Bauvorhaben der Einsatz nachhaltiger Baumaterialien attestiert.
Fertigstellung
Die Gewerke der Universitätscampuserweiterung in Krems wurden bis Juni2021 öffentlich ausgeschrieben und die GIG Fassaden GmbH erhielt den Auftrag im September desselben Jahres. Gemäß Ausschreibung soll GIG den beauftragten Leistungsumfang bis März 2023. Der drei Gebäude umfassende erste Bauabschnitt soll Mitte August 2023, also rechtzeitig zum Beginn des Herbstsemesters 2023, in Betrieb gehen. Bis Ende März 2024 soll dann das Gesamtprojekt für den Lehrbetrieb zur Verfügung stehen.
Robert Mehl, Aachen

https://www.metallbau-magazin.de/artikel/mb_Ausbau_Campus_Krems_3775872.html