Project:
Contact:
Object:
East German castles
Type:
architect's portrait
Location:
Potsdam
Country:
Germany
Architect:
Olaf Gibbins 🔗, Potsdam
Materials:
old building reconstruction
Published:
01/2011
Pages:
-
Content:
[article]      
 

Zur Revitalisierung ostdeutscher Schlösser

Die Identitätstiftung

 
[no english version available]
Wer meinte, dass vor allem private Großinvestoren die Sanierung ehemaliger Herrensitze im ostdeutschen Hinterland betreiben, irrt. Denn mitnichten fallen über diese häufig maroden Schlösser und Rittergüter profitorientierte Investmentfonds her, die alles schonungslos entkernen, um daraus ein historisierendes Disneyland zu kreieren: Sie wissen längst, dass die Rendite marginal ist. So verbleibt letztendlich die Verantwortung für die Sanierung und die Erhaltung der historischen Substanz mehr oder weniger in der öffentlichen Hand.
So manche ostdeutsche Kommune hat sich in der Nachwendezeit erheblich in dem Wert verschätzt, den ihre historische Großimmobilie besitzt, so baufällig und fern der großen Zentren wie sie häufig war. Kaum einer war bereit eine größere Kaufsumme aufzuwenden sowie ein Vielfaches davon in die denkmalgerechte Sanierung des Objektes zu stecken. Nur handelt es sich bei diesen Herrensitzen nicht um irgendwelche Objekte, sondern häufig um die emotionalen Epizentren der Kommunen. Defacto ging es bei diesen Projekten also nicht mehr um das berühmte Tafelsilber der Gemeinde, sondern um nicht weniger als die Tafel selber, um die herum in Jahrhunderten die gesamten lokalen Strukturen gewachsen waren.
Vielfacher Rettungsanker war die Brandenburgische Schlösser GmbH (BSG), eine private Tochter des Landes und der Schlösserverwaltung. Unter Zahlung einer ideellen Mark kaufte sie zahlreiche Objekte an und nahm dabei die Verpflichtung des denkmalgerechten Erhaltes, der Sanierung und Pflege des Bauwerkes auf sich. In einem ersten Schritt bedeutete dies bestandserhaltende Sofortmaßnahmen, wie etwa die Abdichtung des Daches oder die Absicherung maroder oder gar einsturzgefährdeter Bauteile. Parallel dazu wurden bauhistorische Gutachten erstellt, die sowohl die Bedeutung des Objektes und seiner einzelnen Gebäudeteile untersuchten und Empfehlungen für eine denkmalgerechte Instandsetzung aussprachen. Diese Untersuchungen dienten gleichzeitig aber auch als Grundlage für geeignete zukünftige Nutzungskonzepte, denn das Ziel war nicht ein oberflächliches Facelift des Objektes zum Zwecke eines erfolgreichen Weiterverkaufs, sondern die nachhaltige Nutzung im Sinne des Gemeinwohls. Eine Absicht, die sich am ehesten durch Vermietung erzielen lässt. Mieter lassen sich jedoch nur dann finden, wenn nicht die Kosten für die Sanierung und die Erhaltung aufgebürdet werden. Letztendlich ist der Erhalt dieser Bauten also nur über massive öffentliche Zuschüsse zu gewährleisten, eine besondere Verantwortung ist hier gefragt. Entsprechend kommt es bei der öffentlich ausgeschriebenen Vergabe neben der abgegebenen Angebotshöhe in einem nicht unerheblichen Maße auch auf die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der aufgeforderten Planungsbüros an. Gerade im Bereich der Denkmalpflege sind die Baukosten nur schwer zu kontrollieren und erfordern sowohl ein früh einsetzendes, bürointernes Controlling sowie ein großes Maß an Erfahrung.
Beispielhaft für eine gelungene Umsetzung sind die Sanierungen von Schloss Reichenow, Gut Liebenberg und Schloss Altdöbern. Sie wurden jeweils in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro gibbins - european architects mit Sitz in Potsdam und Hamburg realisiert, beziehungsweise dauern im Fall Altdöbern noch an. Das Büro kann auf eine umfassende Erfahrung im Bereich der Denkmalpflege von historisch relevanten Großprojekten verweisen. Das prominenteste Objekt dürfte wohl die Sanierung der stalinistischen Karl- Marx- Allee in Berlin sein: die 1,9 km lange ehemalige Pracht- Aufmarschmeile der DDR. Ferner hat sich das Büro mit der Erneuerung von Schlüsselbauten im historischen Zentrum von Potsdam hervorgetan. Dazu zählt die Instandsetzung des Kronprinzenkabinetts, welches das Geburtshaus von Friedrich II. und später Alexander von Humboldt war sowie die Sanierung des Militärwaisenhauses, einem Frühwerk Gontards, der später den Gendarmenmarkt in Berlin realisieren sollte. Hier konnten die Planer die öffentliche Hand davon überzeugen, dass der im Krieg zerstörte Monopterus über dem Mittelrisaliten wiederherzustellen sei. Tatsächlich trägt diese Vierungslaterne in Form eines offenen Rundtempels beachtlich zur Aufwertung des historischen Stadtkernes bei.
Schloss Reichenow
Das neugotische Anwesen, das formal an die englischen Landsitze der Tudorzeit angelehnt ist, wurde zwischen 1995 und 1997 instandgesetzt. Der symmetrische zweigeschossige Putzbau war in den Jahren 1897 bis 1900 durch den Berliner Hofbaumeister Hauer im Auftrag von August Freiherr von Eckenstein errichtet worden. Der Bau wird durch mehrere Risalite gegliedert und zentral durch eine Spitzbogenloggia erschlossen. Dem Zweiten Weltkrieg fiel lediglich der achteckige Turm einer strategischen Sprengung der Deutschen zum Opfer.
Im Zuge der von dem Büro gibbins durchgeführten Sanierung konnten Teile von ihm aus dem nahen See geborgen werden. Sie wurden bei der Rekonstruktion des Turmes als Spolien wieder verwendet, dessen Planung hauptsächlich auf der photogrammetrischen Auswertung historischer Aufnahmen fußte. Von der Innenausstattung des Bauwerkes haben sich die Parkett- und Terrazzofußböden erhalten, die Türen, die Stuckdecken sowie die Fliesen der Küche. Bemerkenswert ist auch das Haupttreppenhaus mit seinem ursprünglichen, schmiedeeisernen Geländer. Die bauliche Sanierung bestand im wesentlichen aus partiellen Eingriffen im Bereich des Dachstuhls und der Decken, der behutsamen Rekonstruktion verlorengegangener Bauteile sowie der Erneuerung der gesamten Gebäudetechnik. Allein der rekonstruierte Turm erhielt eine zeitgemäße Stahlspindeltreppe, da zu der historischen Anlage keine Unterlagen auffindbar waren. Der Bau wurde zu einem Wellness- und Tagungszentrum umgenutzt, wobei auf den Einbau eines Schwimmbades bewusst verzichtet wurde.
Gut Liebenberg
Der schon von Theodor Fontane in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" erwähnte Adelssitz aus dem 15. Jahrhundert teilt sich in fünf räumliche Bereiche auf: Das Dorf Liebenberg, den repräsentativen, gleichnamigen Schlossbereich, den Gutsbereich mit den Wirtschaftsgebäuden, den von Peter Joseph Lenné geplanten Landschaftspark sowie das sogenannte Seehaus - einem weiteren schlossartigen Bau - samt eigenem Park und See. Das Büro gibbins war hier sowohl mit der Erstellung eines Gesamtkonzeptes beauftragt wie auch mit der Betreuung der einzelnen Sanierungsmaßnahmen.
Die historischen Bauten des Anwesen waren infolge der intensiven Verzahnung mit dem Ort während der DDR- Zeit stark überformt beziehungsweise zurückgebaut worden. Gleichwohl war bedingt durch die kontinuierliche, investionsarme Nutzung die überwiegend barocke Bausubstanz in einem vergleichsweise guten Zustand. Infolge zahlreicher Erweiterungen Ende des 19. Jahrhunderts legte die Denkmalpflege als Leitidee für die Rekonstruktion den Zustand um 1910 fest. Äußerlich beinhaltete die Sanierung die Rücknahme neuzeitlicher Balkonkonstruktionen sowie die erneute Applikation barocker Zierelemente, wie gliedernde Lisenen, Friese, Eckvasen und Ziergiebel. Auch hier wurden die Ausstattung der Innenräume behutsam ergänzt und die Haustechnik umfassend modernisiert. Bemerkenswert ist, dass im Seehaus außerdem, als Zeugnis einer anderen Ära, die Kellerbar des ehemals dort untergebrachten SED- Kader- Erholungsheim in-situ erhalten blieb. Das Seehaus wird als Vier- Sterne- Hotel genutzt.
Schloss Altdöbern
Das Bauwerk ist in der Blütezeit des sächsischen Borocks entstanden. Um 1717 entstand die noch heute bestehende Dreiflügelanlage, die zwischen 1749 und 1750 um ein weiteres Geschoss aufgestockt wurde. Der dreigeschossige Bau besitzt zwei Zwiebelhaubentürme, ein Mansardendach und einen trutzig anmutenden Anbau mit Rundturm. Für die innere Ausgestaltung zeichnen erstklassige Künstler des Dresdener Hofes verantwortlich. In den Jahren 1880-83 erhielt der Bau sein heutiges Gesicht. Zum Ensemble gehören eine doppelte Vorhofanlage mit prächtigem Portal und flankierenden Kavaliershäusern, eine Orangerie, ein Marstall sowie zahlreiche Wirtschaftsgebäude. Der Bau, der als Außenstelle der schwedischen Botschaft den Zweiten Weltkrieg unversehrt überdauerte und in den Folgejahren durchgehend in verantwortungsvoller Nutzung war, wurde nach der Wiedervereinigung in Folge eines vorherrschenden Zuständigkeitsvakuums massiv geplündert. Fotografien aus den 70er und 80er Jahren belegen den ehemals bemerkenswert guten Zustand. Derzeit ist der Bau durch die künstliche Absenkung des Grundwasserspiegels für den nahen Braunkohletagebau stark gefährdet. Die hölzerne Pfahlgründung ist stark angegriffen und nicht mehr tragfähig. Derzeit wird diskutiert, wie die Standsicherheit wieder hergestellt werden kann. Obwohl das Projekt sich somit erst in der Phase der Bestandsicherung befindet und die Art der zukünftigen Nutzung des Objektes noch nicht feststeht, ist das Büro gibbins bereits als Generalplaner hier tätig. Von zentraler Bedeutung ist dabei, basierend auf dem bestehenden Erfahrungsschatz des Büros schon frühzeitig beratend aktiv zu werden, um eine spätere Kostenexplosion der Maßnahme zu vermeiden.
Fazit
Tatsächlich kann der richtig angewandte Leitsatz der modernen Denkmalpflege "So wenig wie möglich, soviel wie nötig" gerade auch als ein effektives Kostensparmodell angesehen werden, das gerade durch den bewussten Umgang mit den Finanzmitteln auch einen nachhaltigen Bestandsschutz über Jahre hinweg garantiert. Gleichzeitig schafft dieses Vorgehen mitunter Spielräume für formal Funktionsloses, wie den Monopterus in Potsdam. Gemessen an seiner stadtbildprägenden Wirkung und der damit verbundenen innerstädtischen Aufwertung sind diese Investitionen jedoch marginal. In diesem Zusammenhang kann das Handeln des Büro gibbins nicht nur als kulturbewahrend sondern auch als identitätstiftend bezeichnet werden.
Robert Mehl, Aachen