Project:
Contact:
Object:
Cedar skywalk
Type:
Tree felling campaign
Location:
Aachen [satellite]
Country:
Germany
Architect:
Materials:
Published:
baublatt 04/2021
Pages:
28 - 31
Content:
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Zum Fällen von Stadtbäumen

Himmelfahrt einer Zeder

Das gute Umweltgewissen endet oft dort, wo eigene Interessen berührt werden. Stadtbäume – ob auf öffentlichem oder privatem Grund – sind nicht selten Anlass zum Streit. Manche Städte haben Baumschutzverordnungen aufgestellt. Darüber hinaus setzen die Behörden jedoch weiterhin auf Überzeugungsarbeit in alle Richtungen.
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Was dem einen lieb ist, empfindet so mancher andere als lästigen Fluch. Ein leichtes Blätterrauschen, das im Sommer mit einem kühlenden Luftzug einhergeht, wird in der Regel positiv assoziiert, wie auch ein Baum als Heimat für zahllose Vögel inmitten einer urbanen Betonwüste betrachtet werden kann. Der "Spaß" hört allerdings schnell auf, wenn der Baum den Lichteinfall in die eigene Wohnung stark einschränkt, wenn das Kehren von Blüten- und Laubabwurf zunehmend zur Last wird oder wenn die eigene Regenrinne alljährlich von einem Dienstleister gesäubert werden muss. Dies sind jedoch alles Lasten, die Anwohner hinzunehmen haben, sofern der Baum schon beim Einzug existierte – das gilt auch für alle Nachbarn. Schließlich – so urteilt der Gesetzgeber – hätte man durchaus vorher beurteilen können, auf was man sich da einlässt.
Zuungunsten des Baumes schlägt hingegen das Pendel aus, wenn Sachwerte – sowohl des Eigentümers, wie auch der Nachbarn – bedroht werden. Das kann sowohl durch das Wurzelwachstum verursacht sein, das zu einer Rissbildung an Gebäuden führt. Es kann aber auch nur die Sorge sein, dass der Baum bzw. Äste etwa bedingt durch Krankheit, wie Fäulnis von innen heraus, oder bei einem Sturm herabstürzen und Schaden verursachen. Diese Bedenken sind durch die zuständigen Ämter zu prüfen und enden nicht selten vor Gericht.
Baumverordnungen in der Schweiz
Der Schutz von Bäumen ist eine kommunale Angelegenheit und nicht einheitlich auf Bundesebene geregelt. Aktuell (Stand 2020) gibt es in Basel Stadt, in St. Gallen und in der Stadt Zürich eine gültige Baumverordnung. In letzterer wurde dieselbe per Bürgerentscheid bereits in den 1990er Jahren beschlossen. Sie blieb jedoch weitgehend wirkungslos, da zeitgleich mit ihr das kommunale Bau- und Planungsgesetz novelliert wurde. Hier heißt es nunmehr:
"§ 76.55 Die Bau- und Zonenordnung kann die Erhaltung von näher bezeichneten Baumbeständen und deren Ersatz sowie zonen- oder gebietsweise angemessene Neupflanzungen und die Begrünung von Flachdächern vorschreiben; diese dürfen jedoch die ordentliche Grundstücknutzung nicht übermäßig erschweren."
Entsprechend wurde die Zürcher Bau und Zonenordnung um eine Kartierung von Baumschutzzonen ergänzt. Sie weist das jeweilige Mikro- Stadtbild prägende Grünflächen aus, vornehmlich Parkanlagen oder Alleen, jedoch keine Privatgrundstücke.
Baumschutzordnungen seit 40 Jahren
Auch in den Nachbarstaaten, wie etwa in Deutschland ist der Baumschutz nicht bundesweit geregelt, sondern bedarf einer kommunalen Verordnung. Allerdings wurden die ersten Baumschutzsatzungen, wie etwa die der Stadt Aachen schon vor mehr als 40 Jahren beschlossen. Diese beruht auf einer Mustervorlage, die vom deutschen Städtetag entwickelt wurde. Deren Grundzüge sind denen der kommunalen, eidgenössischen Baumschutzsatzungen sehr ähnlich.
Grundsätzlich wird die Schutzwürdigkeit eines Baumes nach seinem Stammumfang in 1 m Höhe über dem Erdboden bewertet. Variationen finden sich hingegen im Schwellenwert. So liegt dieser in Zürich ganz allgemein bei 80 cm, in Aachen wird zusätzlich noch differenziert nach Laub- (70 cm) und nach Nadelbaum (100 cm). Alle Satzungen berücksichtigen mehrstämmige Bäume. Bei diesen wird aus den Umfängen der Teilstämme eine Gesamtsumme gebildet, die einen Schwellenwert überschreiten muss. In Zürich Stadt etwa muss der größte Teilstamm entweder die besagten 80 cm Umfang aufweisen oder zwei zusammen mindestens 100 cm aufweisen. Generell gilt, dass allein Stammumfänge bewertet werden und nie deren Durchmesser, da Bäume durchaus auch elipsenförmige Querschnitte aufweisen können.
Große Spielräume finden sich allerdings bei den Kriterien, die ein Fällen eines schutzwürdigen Baumes zulassen. Nicht dazu zählt – wie schon erwähnt – eine Verschattung oder eine durch diesen verursachte Verschmutzung.
Grundsätzlich gilt jedoch, dass ein kranker Baum, dessen Standsicherheit gefährdet ist oder dessen Äste morsch sind, gefällt werden darf. Allerdings muss hierfür zuvor ein entsprechender Antrag gestellt und dieser genehmigt werden.
Hinsichtlich der Frage, wann sich ein Baum bzw. dessen Wurzelwerk schädigend auf die umgebenden Bauten auswirkt, hat man sich in Aachen für eine verwaltungstechnische Lösung entschieden: Steht ein Baum (unabhängig von seiner Größe) näher als 5 m an einem aufgehenden Bauwerk, ist eine Fällgenehmigung zu erwarten – wobei das Bauwerk auch eine Garage, eine Grenzmauer oder ein Treppenbauwerk sein kann. Völlig unerheblich ist es dabei, ob ein Baum ein so genannter Flachwurzler oder ein Tiefwurzler ist. Zudem haben Anwohner das Recht, eine Fällung vom jeweiligen Bauminhaber zu fordern, sofern der Baum Schäden an deren Eigentum verursacht hat oder diese mittelfristig zu erwarten sind.
Ermessenssache
In diesen Fragen ist oft das Ermessen und auch das menschliche Einfühlungsvermögen der zuständigen Ämter gefordert. Während in der Schweiz auf kantonaler Ebene die Tiefbauämter mit der Baumpflege beauftragt sind, liegt in Deutschland die Zuständigkeit bei den kommunalen Umweltämtern. Der in Aachen federführende Referent Jürgen Drautmann sieht sich in der Pflicht, alle Beteiligten zu hören und bei Streitereien zwischen diesen zu vermitteln und um Verständnis für die letztendliche Entscheidung zu werben.
Grundsätzlich stößt man in Deutschland, wie insbesondere auch in der holzaffinen und waldreichen Schweiz (31 % des Landes sind bewaldet) auf eine hohe Akzeptanz beim Baumschutz. Daher wundert es Drautmann nicht, dass "man nicht eben mal einen Baum fällen kann, ohne dass die Nachbarn das bei der Verwaltung hinterfragen", obwohl es keinen Kataster zu Baumbeständen in privaten Gärten gibt.
Fällanträge treten in der Regel im Zusammenhang mit Bauanträgen auf, bei denen von seinem Amt eine Stellungnahme eingefordert wird. Dabei findet individuell eine Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen statt. Drautmann stellt zunächst fest, dass ökologisch gesehen ein Baum ein lebendes Wesen ist und damit im Prinzip unbezahlbar sei. Im Kontext einer Immobilie besitzt ein Baum jedoch einen realen Sachwert. So kann z.B. der Grundstückspreis beim (Ver-)Kauf einer Immobilie durchaus sinken, sofern der Baum Schäden verursacht. Schädigt ein Baum beispielsweise eine Treppenanlage oder eine Trennmauer, ist zu prüfen, ob hier eine Instandsetzung finanziell zu vertreten oder ob eine neuerliche Schädigung durch das Baumwachstum mittelfristig zu erwarten ist. Geprüft werden sollten in diesem Kontext aber auch finanziell vertretbare Alternativbauten; wie etwa – um bei dem Treppenbeispiel zu bleiben – eine Neuanlage der beschädigten Treppenanlage, mit einer Lagerung auf Punkt- statt wie zuvor auf Streifenfundamenten.
Fallbeispiel in Aachen
In einem kaum 4 m auf 6 m großem Aachener Innenstadtgarten war in gut 60 Jahren eine stattliche, mehr als 25 m hohe Zeder herangewachsen. Die dazugehörige Blockrandbebauung erstreckt sich in nord-südlicher Richtung, ab dem Nachmittag verschattete der Nadelbaum somit nicht nur das eigene, östlich von ihm liegende Gebäude, sondern auch die weiteren nördlich daran angrenzenden Nachbarhäuser. Während die Bewohner des betreffenden Gebäudes ihrem Baum im Garten ausgesprochen positiv gegenüber standen, störten sich die Bewohner eines angrenzenden Gebäudes aus bereits erwähnten Gründen wie Schattenwurf bzw. Verschmutzung an dem immer höher wachsenden Baum. Zudem stand der Baum in der nordwestlichen Gartenecke in unmittelbarer Nähe zu einer etwa 3 m hohen Begrenzungsmauer, die infolge des beträchtlichen Wurzelwachstums zuletzt einen weit klaffenden Riss aufwies.
Sich darauf berufend forderten die Bewohner des angrenzenden Gebäudes eine Fällung der Zeder, und der Haus- und damit auch Bauminhaber stellte einen entsprechenden Fällantrag. Stattgegeben wurde dem Antrag nach wiederholter amtlicher Begehung schließlich nicht aufgrund des klaffenden Risses in der Begrenzungsmauer. Dieser Schaden wäre mit einem vertretbaren Aufwand zu sanieren gewesen. Das entscheidende Fällkriterium war ein Unterschreiten der 5-m- Marke zu einem dritten, in der Sache eigentlich unbeteiligten Gebäude aus dem 19. Jhd., das unter Denkmalschutz steht. Ausgehend von dem Mauerriss waren auch an dem denkmalgeschützten Gebäude mittelfristig baumbedingte Bauschäden zu erwarten.
Fällaktion
Wenn ein großer Baum wie in dieser engen Hinterhofsituation keine geeignete Fallfläche hat, gibt es nur die Möglichkeit, den Baum mit Hilfe von Baumkletterern in Einheiten zu zersägen und dann entweder kleinteilig zu entsorgen, oder in größeren Teilen mit Hilfe eines Schwerlastautokrans herauszuheben. Solche Fällaktionen werden – sofern keine Gefahr in Verzug ist – vorzugsweise in den Zeiten des Jahres durchgeführt, in denen die Natur ruht; der November ist hierfür ein guter Monat.
Die bereits erwähnte, rund 36 Tonnen schwere Zeder wurde entsprechend Ende November 2020 in Aachen gefällt und mittels Schwerlastautokran in vier Teilen aus dem Wohnblock herausgehoben. Dabei konnte der Baum über eine seitliche Baulücke herausgeschwenkt werden. Hätte man ihn hingegen über die Häuser heben müssen, wäre eine vorherige Räumung aus Sicherheitsgründen erforderlich gewesen. Zum Einsatz kam das Autokranmodell LTM 1200 5.1 des Herstellers Liebherr, das bis zu 200 Tonnen Last bis zu 80 m hoch heben kann. Da der Standort des Baumes jedoch um die 30 m von der Kranaufbaufläche entfernt war, musste infolge des enormen Hebelarmes der Autokran mit entsprechenden Gegengewichten zusätzlich beschwert werden. Die sechs, jeweils bis zu 12 Tonnen schweren Metallgewichte wurden separat mit zwei Schwerlasttransportern angeliefert und vom Kran selbst auf seine Mitteltraverse gehoben.
Dennoch ging der zertifizierte European Treeworker Johan Collins, der die Fällung leitete, von einer zu großen Gesamtlast des Baumes für den Kran aus. So ließ er sich selbst in Seilkletterausrüstung von dem Autokran in den Baum einheben. Dort kappte er mit Hilfe einer kleinen Einhandmotorsäge in drei Zügen zunächst weite Teile der Krone ab. Anschließend wurde der um rund ein Drittel leichtere Nadelbaum am Stamm getrennt und im Ganzen durch den Autokran entlang der besagten Baulücke aus dem Block herausgehoben. Die Zeder wurde dann neben dem Kran auf dem voll gesperrtem Straßenabschnitt abgelegt und sofort von zahlreichen bereitstehenden Helfern fachmännisch zerlegt.
Dabei wanderte das umfangreiche und durchaus wertvolle Stammmaterial in einen bereitstehenden Container zur weiteren Verarbeitung. Die Kleinäste wurden hingegen sofort zu Mulch zerschreddert und in separaten Containern gesammelt.
In einer letzten Kranfahrt wurde schließlich eine Wurzelstockfräse in den besagten Garten eingehoben. Mit dieser frästen Gärtner am Folgetag das Wurzelwerk des Baumes aus dem Erdboden. Bei dem Gerät handelt es sich um einen Frässkopf der am Ende eines langen Arm sitzt, in den eine Absaugvorrichtung integriert ist. Mit diesem arbeitet man sich sukzessive entlang der Wurzel in das Erdreich hinein und beseitigt die unterirdischen Baumreste, um einen Neuausschlag zu unterbinden. Durchgeführt wurde diese gärtnerische Maßnahme durch das Aachener Gartenbauunternehmen Vondenhoff, dass federführend bei der Fällaktion war.
Ganz zum Schluss fuhr noch einmal ein kleinerer Autokran vor. Er hob das Stubbenfräse genannte Großgerät aus dem eingemauerten und torlosen Garten heraus sowie drei jeweils tonnenschwere BigBags, die das Wurzelmulch- Erdreichgemisch enthielten.
Robert Mehl, Aachen