Project:
Contact:
Object:
Aquis Plaza
Type:
shopping mall
Location:
Aachen [satellite]
Country:
Germany
Architect:
ECE Projektmanagement 🔗, Hamburg
Materials:
precast concrete, steel, glass
Published:
Beton Bauteile 2018
Pages:
118 - 123
Content:
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Shopping- Mall Aquis Plaza, Aachen

Montage nach Fahrplan

Mit dem Aquis Plaza entwickelte die Hamburger ECE inmitten der historisch gewachsenen Aachener Innenstadt ein mehr als fußballfeldgroßes Einkaufszentrum mit drei Verkaufsebenen und einem darüber angeordneten Parkhaus. Logistisch war der Bau nur mit Betonfertigteilen zu realisieren.
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„Wenn Sie die Betonfertigteile direkt vom LKW aus montieren, sparen Sie natürlich die Umschlagzeit und die Zwischenlagerung. Aber der Sattelschlepper blockiert solange die Parkfläche. Mehr als zwei Stunden konnten die Fahrzeuge da nicht stehen. Weil wir täglich 40 Anlieferungen hatten, aber effektiv nur vier permanente Entladeplätze, durfte eine längere Verweildauer nur die Ausnahme sein!“ So umreißt der damals zuständige Bauleiter der Ed. Züblin AG, Matthias Ammon, die zentrale Herausforderung dieses innerstädtischen Großprojektes.
„Ohne eine umfassende Verwendung von Betonfertigteilen und die lange aufrechterhaltene Baustellenzufahrt der LKWs über eine temporäre Rampe, einen Fangedamm, wäre das Projekt kaum machbar gewesen!“
Über den Fangedamm fuhren die Sattelschlepper zur Entladung in der Achse der heutigen Mallgasse auf das Untergeschossniveau hinab. Ohne eine Wendemöglichkeit mussten sie anschließend rückwärts raussetzen.
Das Aquis Plaza kann als innerstädtische Nachverdichtung interpretiert werden; es erstreckt sich über etwa 120 m entlang der Adalbertstraße, einer Fußgängerzone. Über die ganze Distanz wurde weitgehend die südliche Randbebauung der Straße niedergelegt; nur einzelne Häuser blieben erhalten. Deren Eigentümer hatten einen Verkauf abgelehnt, weshalb die Mall um diese Gebäude herum geplant und realisiert wurde. So entstand eine Grundrissform, die Matthias Ammon gerne als „schlafendes Mammut“ bezeichnet.
Orientierung im Gebäude
Annähernd parallel zur Adalbertstraße erstreckt sich die zentrale Mallgasse über drei Verkaufsebenen. Große elliptische Lufträume leiten das mit großen Oberlichtern im Dach eingefangene Tageslicht bis hinab ins Untergeschoss. Der östliche Zugang erfolgt vom Kaiserplatz aus, der von der Stiftskirche St. Adalbert dominiert wird. Von Westen erreicht man die Ladenstraße zwischen zwei denkmalgeschützten Bauten hindurch, die Teil des Ensembles sind. Das langgestreckte Volumen liegt am Fuße eines Hügels. An der südlich gelegenen Beeckstraße gibt es einen dritten Haupteingang, der aufgrund der steilen Topographie tatsächlich in das zweite Obergeschoss des Aquis Plaza führt. Die Mall besitzt ein großes Parkhaus. Seine Zufahrt erfolgt über eine Abfahrt ins Untergeschoss, wo ein kurzer Tunnel den Verkehr zu einer Spindel führt, die diesen hoch auf das 2. Obergeschoss leitet; hier beginnt erst das Parkhaus.
Sichtbetonqualität und doch unsichtbar
Während in den Parkbereichen die konsequente Verwendung von Betonfertigteilen offensichtlich ist, sind sichtbare Betonflächen in der Ladengasse die Ausnahme; die 9,50 m hohen Rundstützen, gleichwohl sie gestrichen sind, zählen dazu. Dennoch dominieren Sichtbetonfertigteile das gesamte Objekt – hinter den Kulissen!
Das Einkaufszentrum weist ein zweites Erschließungssystem auf, über das die Warenanlieferung erfolgt. Diese Bereiche müssen robust und pflegeleicht gestaltet sein; Betonfertigteile bieten sich hier an. Auch in den Ladenlokalen finden sich im Rohbauzustand Sichtbetonflächen. Schließlich sollen die Innenraumgestalter der Geschäftsketten, die die Ladenlokale anmieten, einen wertigen Eindruck ihrer künftigen Filialräume bekommen.
Matthias Ammon zählt auf:
„Wände, Decken – in dickeren wie dünneren Platten – Rechteckstützen, quasi das Hauptbauelement aller Bereiche, die nicht unmittelbar zum Luftraum der Ladengasse gehörten, die dazugehörigen Pilzköpfe, die auf diesen Stützen sitzen, sowie Podeste, Hohlwände, Mauerwerkstützen, Halbfertigteile der Verkehrswege und schließlich die Zwischendecke des Sprinklertanks: Wir haben alles zu Fertigteilen gewandelt, was machbar war – um noch schneller zu werden!“
Parkhausspindel mit Sprinklertank
Konstruktiv beeindruckend ist der im Auge der Parkhauspindel untergebrachte fast 20 m hohe Sprinklertank. Das zylinderartige Volumen besteht aus den gekrümmten Innenseiten der PKW- Auffahrten, die in Betonfertigteilbauweise auf die schraubenartigen Rampen gesetzt wurden. In gut 15 m Höhe ist hierin ein Maschinenpodest eingehängt, ebenfalls ein Betonfertigteil. Die Entscheidung fiel ganz pragmatisch zu Gunsten der vorgefertigten Bauweise aus, da es einfach unwirtschaftlich war, über diese Höhe ein Trag-gerüst zu errichten.
Montagerhythmus
Aufgrund der wenigen Entlademöglichkeiten war eine strikte Organisation der Anlieferung unerlässlich, um das Zwei- Stunden- Fenster einzuhalten. Bis abends um 20:00 Uhr galt es, einen kontinuierlichen Materialfluss zu koordinieren. Dazu musste jede baubeteiligte Firma im Internet Stand- und Kranzeiten verbindlich buchen. Anliefernde Fahrer waren gehalten, zunächst bestimmte Wartebereiche anzufahren und sich von dort im Büro zu melden. Waren die Entladezonen frei, gab es „Grünes Licht“. Diese Pufferparkplätze befanden sich meist nahe von Autobahnparkplätzen.
Die Dülmener B. Lütkenhaus GmbH, einer der Hauptlieferanten von Betonfertigteilen, organisierte eine alternative Anlieferung. Für ihre annähernd 1.000 Transporte von Filigrandecken- und Hohlwandelementen mieteten sie unweit der Baustelle ein innerstädtisches Areal an, auf welchem sie ihre Auflieger parkten. Nachts erfolgte grundsätzlich die Anfahrt vom Dülmener Werk hierher und morgens übernahm eine Zugmaschine den Pendelverkehr zwischen Parkplatz und Baustelle. Dort tauschte der Fahrer jeweils einen entladenen Auflieger gegen einen vollen aus. Am Ende des Tages hob der Baukran den vorletzten Auflieger auf den letzten und beide fuhren zurück ins Werk.
Für gewöhnlich wurden die Betonfertigteile ein bis zwei Tage vor ihrer Montage angeliefert, in dem Zwei- Stunden- Fenster entladen und auf ständig wechselnden Flächen auf dem Rohbau abgelegt. Ammon lobt hier seine Poliere, die immer den Überblick behalten haben, wo was lag, um es im richtigen Moment an die richtige Stelle zu setzen.
Gedämmte Hohlwände
Die meisten Massivwände wurden als Hohlwandkonstruktionen erstellt. Während die Gebäudekerne in traditioneller Weise gestellt wurden, klebten die Betonbauer auf die gut 4 m hohen Hohlwandelemente entlang der Hügelböschung bauseits eine Dämmung auf. Diese war nach außen gerichtet und wurde später mit Kies oder mit Sand verfüllt. Um Wärmebrücken entlang der Vertikalfugen zu vermeiden, ließ man die Dämmplatten gegenüber der Betonkante deutlich verspringen. Eine Kellerwanddämmung war aufgrund der vorgesehenen hochwertigen Untergeschossnutzung unvermeidlich, da ein Tauwasserausfall effektiv zu unterbinden war. Aachen ist ein Kurort mit einem ausgesprochen hohen Grundwasserstand. Tatsächlich steht der Keller des Aquis Plaza zu 2/3 im Wasser, was einen zusätzlichen Kühleffekt mit sich bringt. Gleichwohl die Untergeschosswände aus Betonhohlwandelementen bestehen, wirken diese als „Weiße Wanne“, als ein komplett abgedichtetes Volumen, das selbst drückendem Wasser widersteht.
Da die Baumassen bis zur Errichtung des 3.Obergeschosses zu gering waren, um ein Aufschwimmen des Kellers zu verhindern, musste bis dahin das Grundwasser über 10 Brunnentöpfe in der Bodenplatte permanent abgepumpt und über eine aufwändige Filteranlage der Kanalisation zugeführt werden.
Arbeitskräfte vor Ort einsparen
Für den Bauleiter Matthias Ammon war bei diesem Projekt Zeit und Geschwindigkeit ein essentieller Aspekt. Mit Verwendung von Betonfertigteilen wird für ihn die Herstellung eines Gebäudes vom Bauplatz weg in ein Werk verlagert. Vor Ort spart man so erheblich Arbeitszeit, -kräfte und vor allem Platz:
2014, in der Rohbau- Hochphase, waren in zwei Schichten täglich 220 Bauarbeiter für Schalung und Beton und noch einmal 40 allein für die Bewehrung vor Ort. Die Frühschicht begann um 7:00 Uhr, die Spätschicht hörte um 20:00 Uhr auf. Mittags zwischen 11:00 und 16:00 Uhr stand man sich gerne „auf den Füßen“. Als es schließlich an den Ausbau ging, kamen noch einmal 100 weitere Arbeiter und Techniker hinzu. Ohne ein Outsourcen von Teilen des Rohbaus in Betonfertigteilwerke wäre das Projekt logistisch kaum zu realisieren gewesen – und schon gar nicht in dieser kurzen Bauzeit!
Robert Mehl, Aachen