Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Tel Aviv Museum of Art
Typ:
Museum
Ort:
Tel Aviv [Satellit]
Staat:
Israel
Architekt:
Preston Scott Cohen 🔗, Cambridge
Materialien:
Betonfertigteile, Holz
Publiziert:
Beton Bauteile 2015
Seiten:
48 - 57
Inhalt:
[Artikel]      
 

Erweiterung Tel Aviv Museum of Art

Kunst- Stein

Das Tel Aviv Museum of Art besteht seit 1932. Sein Kernbau, der Helena- Rubinstein- Pavillon, wurde bereits 1959 errichtet und benötigte dringend eine Erweiterung. Dies geschah unlängst mit einem angedockten Solitär, den eine skulpturale Betonfertigteilfassade prägt.
Das Kunstmuseum ist Teil eines aus öffentlichen Gebäuden bestehenden Quartiers im Zentrum von Tel Aviv. Neben dem Museum finden sich dort eine Oper, ein Theater, eine öffentliche Bibliothek sowie ein Gerichtszentrum. Bei dem mit der Erweiterung bebauten Grundstück handelt es sich tatsächlich um die nutzbare Restfläche des Areals, die aufgrund geltender Baufluchten und einzuhaltender Abstandsflächen maximal gegeben war.
2003 setzte sich das Architekturbüro Preston Scott Cohen aus Cambridge, MA in einem internationalen Wettbewerb mit seinem Konzept durch, das am Ende auch genauso realisiert wurde. Ihr Entwurf gründet sich auf der Idee, ein Volumen zu schaffen, das durch die geltende städtebauliche Traufhöhe limitiert ist und von dem man alle einzuhaltenden Abstandsflächen rigide „abschneidet“. Die formale Herausforderung bestand dann darin, diesen „unförmig“ erscheinenden Baukörper mit geraden und senkrechten Wandflächen in effektiver Weise zu füllen, da es sich bei den auszustellenden Kunstwerken in allererster Linie um sogenannte „Flachware“, also Gemälde, handelt.
Fertigteilfassade
Der Rohbau der Museumserweiterung ist eine klassische Pfosten- Riegel- Konstruktion mit der Besonderheit, dass jedes Geschoss gegenüber dem darunter liegenden um wenige Grad verdreht ist. Dadurch entstanden einerseits für jeden Level ganz individuelle Grundrisse und zum anderen keine durchgehend senkrechte Außenkante, an die man eine Vorhangfassade anhängen konnte. Verstärkt wurde dieser Effekt überdies durch eine hölzerne Unterkonstruktion, bei der noch einmal Doppel- T- Träger weit über den Abschluss der Betondecke auskragen. An dieses dreidimensionale Traggerüst wurden insgesamt 460 unterschiedlich geformte Fassadenpaneele angehängt. Den enormen sommerlichen Temperaturbelastungen entsprechend handelt es sich bei diesen um Sandwichelemente mit einer mittig eingebrachten Hartschaumdämmung. Dabei wurde die äußere Schale in Weißbeton ausgeführt. Mit dem Stammhaus ist die Museumserweiterung über eine schmale Passage verbunden. Die Gesamtbauzeit den Neubaus betrug dreieinhalb Jahre.
Gang durch das Gebäude
Je nach Lesart verfügt der Bau entweder über vier oder über fünf Geschosse, denn diese sind nicht linear aufeinandergeschichtet, sondern auf Basis eines Split- Level- Konzeptes ineinander verschränkt. Zudem befinden sich zwei Ausstellungsgeschosse unterhalb des fußläufigen, sockelartig erhöhten Vorplatzes, unter dem eine Tiefgarage angelegt wurde. So betritt man den Bau etwa im mittleren Geschoss und erreicht über eine behindertengerecht geneigte Rampe eine über 26 m hohe, aber recht enge Lobby, die von den Architekten „Lightfall“ („Lichtwasserfall“) genannt wird. Sie ist geprägt von ihrer amorphen Kubatur, schrägen Brüstungsflächen, die jäh und im spitzen Winkel aufeinanderstoßen und so ungeahnte spektakuläre Blickbeziehungen schaffen.
Während die oberhalb der Eingangsebene gelegenen Geschosse entweder über kurze Rampen oder einläufige Treppen erschlossen werden (und natürlich auch über Fahrstühle), gelangt man in das Tiefgeschoss über eine mehr als 25 m lange Rolltreppe. Ein wenig scheint man auf ihr durch den dreidimensional durchwirkten Raum zu schweben. So faszinierend der Hüllraum der inneren Erschließung erscheint, so sehr tritt die Architektur in den Räumen in den Hintergrund, die von dieser Achse abgehen: Hier geht es allein darum, die Kunst ins rechte Licht zu setzen.
Armierung als Kunstwerk
Die Brüstungen wie auch der trichterförmige Körper, der die Erschließungslobby in Dachhöhe abschließt und nur Platz für ein verhältnismäßig kleines Oberlicht lässt, wurden in Ortbetonbau mit einem bemerkenswerten Schalungsaufwand erstellt. Die dazu erforderliche Bewehrung geschah fast ausschließlich mittels Stahlstäben, die fächerartig miteinander verbunden wurden und so zusammengenommen die geometrische Form eines hyperbolischen Paraboloids einnehmen. Baustahlmatten, wären für diese doppelt gekrümmten Flächen ungeeignet gewesen. Tatsächlich muss man diese Armierungsarbeiten schon als echtes Kunsthandwerk bezeichnen.
Fazit
Wie so viele andere Architekten standen Preston Scott Cohen vor der Herausforderung, einerseits einen identitätsstiftenden Bau zu schaffen, der im optimalen Fall das Prädikat „Baukunst“ erhält, zum andern galt es einen Ort zu realisieren, hinter dem die darin gezeigten Werke nicht zurücktreten. Tatsächlich lässt die äußere Silhouette nicht vermuten, dass dies hier gelungen ist, allerdings belehren die zurückhaltend würdevollen Säle den Besucher eines Besseren.
Zudem ist der auf den ersten Blick ausgesprochen extrovertiert angelegte Bau extrem clever. Die Architekten wussten geschickt die gebotene Restfläche zu nutzen, die hermetisch geschlossene Betonfertigteilfassade fungiert effektiv als thermischer Puffer.
Robert Mehl, Aachen