Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Kenitra TGV
Typ:
Bahnhof
Ort:
Kenitra [Satellit]
Staat:
Marokko
Architekt:
Materialien:
Maschrabiyya-Fassade aus Betonfertigteilen
Publiziert:
structure 19.12.2019
Seiten:
onlinie
Inhalt:
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TGV- Bahnhof von Kenitra in Marokko

Mit dem Zug zum Suq

2018 wurde die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke Afrikas von Tanger nach Kenitra eröffnet, die langfristig bis nach Agadir führen soll. Unlängst wurde das Bahnhofsbauwerk von Kenitra vollends fertig gestellt. Seine Fassade ist an arabischen Maschrabiyyas inspiriert, traditionellen Fenstergittern.
Derzeit wird in Marokko ein Hochgeschwindigkeitsnetz aufgebaut, dass dem des französischen TGV nachempfunden ist. Es soll eine Nord- Süd- Linie längs des Atlantiks geben und eine in west-östlicher- Richtung ins Landesinnere. Visionär hat man auch von eine Unterquerung der Straße von Gibraltar ins Auge gefasst. Derzeit endet im nördlich der Hauptstadt Rabat gelegenen Kenitra das erste, seit Anfang 2018 in Nutzung befindlichen Teilstück, das seinen Ausgang in Tanger am Mittelmeer nimmt.
Nunmehr ist auch der neue Fernbahnhof dort vollends fertig gestellt. Das 13.500 m² große Gebäude liegt südlich der Altstadt und begreift sich als ein Hybrid aus Bahnhof und Shopping Mall sowie als urbanes Bindeglied zwischen dem historischen Stadtzentrum und einem auf der anderen Gleisseite sich anschließenden, modernen Quartier. Entsprechend besitzt der Bahnhof auch einen großen, brückenartigen Gebäudeteil, der über die Gleisharfe spannt.
Hommage an die arabische Kultur
Das Dachtragwerk ist eine Stahlkonstruktion, an deren äußeren Stützen die Fassade zudem abgehängt ist. Diese allein besteht aus 800 vorgefertigten dreieckigen Rahmen aus Ultrahochleistungsbeton (UHPC). In die vertikalen Dreieecke sind Glasscheiben eingelassen, so dass eine thermische Trennung zwischen Innen- und Außenraum entsteht. Manche dieser Füllungen bestehen aus transparenten Horizontallamellen für eine gesteuerte, natürliche Querlüftung. Auch die Dachhaut wurde von Silvio d'Ascia, dem Architekten aus Dreiecken angelegt, allerdings handelt es sich hier nur um Metallblenden, die die Unterkonstruktion verkleiden. Hier formen die nunmehr ungefüllten Dreiecke eine engemaschige Lage auf dem das gläserne Flachdach aufliegt, was die wasserführende Schicht bildet. Diese Dachfläche besteht nunmehr aus Quadraten, die sich jeweils aus zwei gegenüber liegenden Dreiecken der Unterkonstruktion zusammensetzen. Deren aneinander liegende Hypotenusen durchmessen also immer diagonal diese Quadratfelder. Manche dieser Rechtecke sind mit halbtransparenten Glas- Glas- Photovoltaikzellen bedeckt, deren Strom unmittelbar im Bahnhof verbraucht wird.
Die Fassade wie das Dach ist inspiriert, an so genannten Maschrabiyyas. Das sind offene, jedoch meist blickdichte arabische Fenstergitter aus Holz. Deren belichtenden, wie schattenspendenden Charakter machte sich der Architekt hier zu Nutze. Die Klimatisierung des 200 m langen Bahnhofgebäudes geschieht weitgehend auf natürliche Weise von seiner Südseite aus, über die Gleisanlagen hinweg und den sich daran anschließenden offenen Bahnsteigen. Die Größe des Bauwerks entspricht dabei der eines TGV- Zuges in einfacher Zusammenstellung.
Zugänglich ist das dreigeschossige Bahnhofsgebäude an seiner dem Stadtzentrum zugewandten Nordseite über acht arkadenartige Portale. Sie führen in eine große Halle, die als öffentlicher Raum - nicht nur zum Reisen, sondern auch zum Verweilen gedacht ist und eine neue Art von Suq - einem Bazar sein könnte.
Robert Mehl, Aachen
https://www.structure-magazin.de/artikel/mit-dem-zug-zum-suq-tgv-bahnhof-von-kenitra-marokko-35053