Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Hotel
Ort:
Schrems [Satellit]
Staat:
Österreich
Architekt:
baumraum 🔗, Bremen
Materialien:
Holz, Aluminiumverbundwerkstoff
Publiziert:
d+h 07/2018
Seiten:
42 - 46
Inhalt:
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Erweiterung der Baumhaus- Lodge, Schrems/A

Klippenhäuser aus Holz

Im österreichischen Schrems, 130 km von Wien entfernt, kann man in der Baumhaus Lodge Urlaub in der Idylle des Waldes machen. Das Feriendomizil mit Baum- und Turmhäusern wurde im letzten Jahr um zwei Klippenhäuser erweitert. Die Holzbauten auf Stahlrahmen und –stützen ragen über einen Waldsee hinaus.
Das Schlüsselerlebnis für Franz Steiner war ein Neuseelandurlaub, bei dem er 2008 in einem Baumhaushotel Station machte. Wieder zurück in Österreich erwarb der studierte Betriebswirt 2011 von der niederösterreichischen Gemeinde Schrems, einem 6000 Einwohner zählenden Ort 130 km vor Wien, einen aufgegebenen Steinbruch. 1938 waren dessen Gebäude einem Brand zum Opfer gefallen, weit über 70 Jahre verfiel das Gelände. Die Natur eroberte das Terrain sukzessive zurück; ein regelrechter Wald entstand und die einstige Abbaugrube füllte sich mit Grundwasser.
Zusammen mit einer Tourismusberaterin analysierte Steiner die Situation und führte eine professionelle Zielgruppenplanung durch. "Am Anfang will man es jedem recht machen - aber genau das ist der Fehler!", umschreibt er die Quintessenz. Die relative Nähe zu Wien, aber auch vergleichbare Entfernungen nach Prag und Linz empfahlen ein Recreation- Ambiente im Grünen für Paare im gehobenen Preissegment. Daher war ein gewisser Ausstattungsstandard unabdingbar. "Natürlich ist es reizvoll, so etwas weit ab in der Natur zu schaffen“, erklärt Naturfreund Steiner, "aber dann wird eine zielgruppengerechte, technische Gebäudeausstattung schwierig: Strom, fließendes Wasser, Kanalisation. Dazu gelten Baumhäuser als Bebauung. Um sie in einem Wald zu errichten, ist eine Sondergenehmigung erforderlich. Hier in Schrems war es einfach nur eine touristische Umnutzung eines früheren Gewerbebetriebes. Die Leitungen durften wir in unserem Waldstück verlegen, weil es nicht als Wald im Bebauungsplan ausgewiesen ist."
Keine Baum-, sondern Stelzenhäuser
Strenggenommen sind die Schremser Kleinarchitekturen nicht Baum-, sondern Stelzenhäuser. "Sie stehen auf einer Stahlkonstruktion, um langfristig den Werterhalt zu sichern", erläutert der verantwortliche Bremer Architekt Andreas Wenning. Er hat sich einen Namen als Baumhausspezialist gemacht und realisiert derzeit weltweit vergleichbare Projekte. Wenn man Baumhäuser direkt an Bäumen errichtet - was ab einer gewissen Stammgröße zweifellos geht -, zählen diese zur statischen Grundkonstruktion des Hauses. Daher müssen sie - da Bäume lebende Organismen sind - jährlich auf ihre Gesundheit und Standfestigkeit überprüft werden.
Muss der tragende Baum aber gefällt werden, geht mit ihm natürlich auch das Haus verloren und der Inhaber bleibt im Zweifelsfall auf seinen Schulden bei seiner Bank sitzen. Es wäre also ein sehr risikoreiches Investment. Natürlich sind auch hölzerne Stelzenunterkonstruktionen machbar, aber sie verwittern erfahrungsgemäß deutlich schneller als solche aus verzinktem Stahl.
Die Anfänge
2014 errichtete Wenning in Schrems die ersten drei "Hochbauten". Zwei davon sind einander ähnliche Quader, die auf einem vorgefundenen Kranfundament und auf einer Böschungsmauer ruhen. Sie umgeben in einem rechten Winkel ein 16 m hohes Turmhaus mit zwei Wohnebenen, die in einer holzbeplankten Stahlkonstruktion ruhen. Der Aufgang zum Turmhaus befindet sich innerhalb dieses Stahlrahmens; das Turmhaus besitzt darüber hinaus eine Dachterrasse und überragt die beiden Nachbarbauten erheblich. 2017 wurde das Ensemble um zwei Klippenhäuser erweitert. Sie ragen felsengleich über die alte, mehr als 10 m tiefe Steinbruchkante in den Waldsee hinein. Alle fünf Bauten errichtete die im österreichischen Zwettl ansässige Firma Kreativer Holzbau e.U. - ein Betrieb, der sich auf das Errichten ganzer Holzhäuser spezialisiert hat und alles in einem ist: Zimmerei, Tischlerei, Dachdeckerei und Spenglerei.
Fundament & Stahlkonstruktion
Die beiden Klippenhäuser sind vollkommen gleich, sie unterscheiden sich allein in der Farbe der Sessel und Stühle: in dem einen Haus sind diese rot, in dem anderen orangefarben. Die Kleinarchitekturen gründen sich auf ein hinteres, quer zur Gebäudeachse ausgerichtetes Streifenfundament sowie auf zwei Köcherfundamente. Diese sind unmittelbar an der Böschungskante platziert und nehmen die Hauptragstützen des Baukörpers auf. Hierauf ruht ein vormontiertes Stahlträgerrost. Es wurde in der Werkstatt zusammengeschweißt und anschließend in einem Stück feuerverzinkt, um auch die Schweißnähte vor Korrosion zu schützen. Seeseitig, etwas vor den Hauptstützen vorgelagert, knickt der Stahlrost um 15° nach oben ab. Hieran bauten die Schreiner im Inneren später ein Podest an, in das der Bettkasten integriert ist und das zum Fenster hin die erhöhte Sitzecke mit Seeblick formt.
Vor dem Aufbringen der Holzkonstruktion belegten die Zimmerleute den Stahlrost mit Bitumenbahnen, um das Holz dauerhaft vor einer Schädigung durch Tauwasser, das sich an dem kühlen Metall bildet, zu schützen. Denn unterseitig blieb die Bodenplatte naturbelassen: Sie ist dort weder lackiert noch lasiert.
Holzbau
Boden und Wände der Klippenhäuser bestehen in Teilen aus dem Massivholzsystem CLT des Herstellers Stora Enso Wood Products GmbH, teilweise aber auch aus der Produktserie Nordica Timber der Hasslacher Holding GmbH. Die Brettschichtholz- Elemente wurden mit Maschinenschrauben an vorgebohrten Öffnungen im Stahlrost fixiert und durch Muttern gekontert. Darauf errichteten die Zimmerleute einen Rahmen aus Brettsprerrholz, den sie äußerlich mit Brettschichtholz und von innen mit Grobspanplatten (OSB) verschlossen. Auf der Innenseite verblieben am oberen Abschluss kreisrunde Aussparungen, um hierüber die Hohlräume mit einer Cellulosedämmung auszublasen. Vor die OSB- Platten wurde noch eine Installationsebene montiert, die die Stromkabel aufnimmt. Auch auf der Grundplatte steht ein gedämmter Hohlraumboden. Dabei wurde ein Kantholzrahmen verlegt, deren liegende Gefache ebenfalls mit Cellulosedämmung verfüllt wurden. Anschließend wurde dieser mit OSB- Platten geschlossen.
Schillernde Außenhaut
Auf die äußere Brettschichtholzlage wurde eine Konterlattung angeschlagen zur Hinterlüftung der finalen Außenhaut. Sie besteht aus Aluminiumverbundplatten des österreichischen Herstellers PREFA Aluminiumprodukte GmbH aus Marktl. Das hier verwendete Produkt Reynobond besteht aus dunkel durchgefärbten Kunststoffplatten- Platten, die eine 1 mm starke Aluminiumschicht tragen. Nach ihrer Heißverleimung werden diese Verbundtafeln werkseitig in einer Richtung gebürstet, weshalb sie den Lichteinfall polarisierend abstrahlen. Reflektiertes Tageslicht erscheint andersfarbig, je nachdem, ob man es längs oder quer zur Sonne hält. Würde man nun eine homogen reflektierende Außenhaut anstreben, wäre die Bauteillage zu berücksichtigen und ein enormer Verschnitt unvermeidlich.
Bewusst sah Bauherr Steiner in Absprache mit dem Geschäftsführer der Firma Kreativer Holzbau Christoph Kastner davon ab und nutzte den optischen Effekt als formales Element. Am Rechner simulierten sie die Montage der Elemente und ermittelten sowohl ein verschnittoptimiertes als auch ansehnliches Tafelbild für die Fassade. Dabei ordneten sie das Fugenbild unter Betonung der Vertikalen an. Es ist eine formale Reminiszenz an das Haubild im früheren Granitsteinbruch.
Dächer: EPDM und Stehfalzbleche
Bei dem Dach handelt es sich um ein anthrazitfarbenes Stehfalzblechdach. Zunächst wurde die Dachfläche - wie bei einem Bett - mit einer Art Kantholzbalkenlage geschlossen, auf das Holzfaserdämmplatten der Marke Steicoflex des Feldkirchener Herstellers Steico SE festgeschraubt wurden. Darauf schraubten Zimmerleute erneut Grobspanplatten, die sie mit einer regensicheren EPDM- Bahn abdichteten, die sie mit Haltetellern befestigten. Hierauf brachten sie eine Konterlattung an, die mit einem Nageldichtband versehen ist, an welchem die Stehfalzbleche des Daches fixiert sind. Unterseitig ist die Balkenlage mit einer gehobelten Holzlattung verschlossen.
Brandschutz und Arbeitssicherheit
Da beide Klippenhäuser über direkte, annähernd ebenerdige Ausgänge verfügen, ist kein Brandschutz erforderlich. Nach österreichischem Baurecht weisen sie allerdings eine Brandschutzschalung auf, die als schwer entflammbar eingestuft wird. Dabei vermeidet man freiliegende Kanthölzer und ummantelt diese mit glatten Holzflächen, die dem Feuer keine vorspringenden Holzkanten innen wie außen als Angriffsflächen bieten. Um die Handwerker während der Bauzeit zu schützen, montierte die Firma Kreativer Holzbau nach dem Stellen der stählernen Tragkonstruktion an dieser ein "schwebendes Gerüst": Letztlich ein Fangnetz, das die Arbeiter im Sturzfall auffängt.
Naturschutz im Eiltempo
Die werkstattmäßige Vorbereitung der Holzelemente wie auch des Stahlrahmens verkürzte die eigentliche Bauzeit auf vier Wochen. Rückblickend resümiert Christoph Kastner, dass die größte Herausforderung hier die Projektlogistik war: Wie bekommt man relativ große Bauteile in einen kleinen Wald und kann einen Autokran so platzieren, dass kein Baum in Mitleidenschaft gezogen wird - dies war der erklärte Wunsch des Bauherrn. Die Lösung fand sich in einem anschließenden Feld, auf dem der Autokran aufgebaut wurde, der mit seinem Ausleger die Bauteile über den Waldrand hinweg einhob.
Wohnen im Baumhaus
Während die älteren Bauten mit ihren Stoffvorhängen subtil einen leicht alternativen Charme verströmen, bedienen die beiden Neubauten eindeutig das Luxussegment. Neben den spürbar größeren Räumen gibt es die erwähnte Panoramafenster- Sitzecke und eine kleine Miniküche. Ein- und ausgecheckt wird via Schlüsseltresoren, deren aktuelle Zahlenkombination dem Gast per SMS mitgeteilt wird. In den Baumhäusern finden sich gut gefüllte Kühlschränke zur freien Verfügung. Neben diversen alkoholischen Getränken bergen sie auch die Zutaten für ein gehobenes Frühstück. Morgens gegen halb sechs fährt dann ein Bote vor, der im Stoffsäckchen frisches Backwerk an die Tür hängt.
Robert Mehl, Aachen