Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Hotel
Ort:
Schrems [Satellit]
Staat:
Österreich
Architekt:
baumraum 🔗, Bremen
Materialien:
Holz, Aluminiumverbundwerkstoff
Publiziert:
SBD 02/2018
Seiten:
64 - 72
Inhalt:
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Erweiterung der Baumhaus- Lodge, Schrems/A

Liebeslauben

In Schrems in Niederösterreich wurde die seit 2014 bestehende Baumhaus- Lodge um zwei Klippenhäuser erweitert, die ein gehobenes Interieur aufweisen. Wie die bereits bestehenden drei Apartmenthäuschen sind auch diese Holzkonstruktionen mit einer Fassadenverkleidung aus Metall.
"Unsere Zielgruppe sind Paare, die sich eine schöne Zeit machen wollen. Darunter sind viele, die im wahren Leben keine Paare sind!", erläutert Franz Steiner sein Hotelkonzept. Der Inhaber, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Mimen Christoph Waltz besitzt, ergänzt, dass etwa 80% seiner Gäste eine Barzahlung vorziehen. Auffällig fand er auch, dass tatsächlich alle Gäste Interviewanfragen des Fernsehsenders ORF ablehnten, als dieser einen Beitrag zu diesem im Sommer durchweg ausgebuchten Hotel 130 km vor Wien produzieren wollte.
Inspiration und Installation
Inspiriert von einem neuseeländischen Baumhaushotel, in dem er 2008 weilte, erwarb Steiner 2011 von der Gemeinde Schrems den 1938 aufgegebenen Granitsteinbruch. Mit einer Tourismusberaterin führte der studierte Betriebswirt eine Zielgruppenplanung durch. "Am Anfang will man es jedem recht machen - aber genau das ist der Fehler!", umschreibt er die Quintessenz. Übrig blieb ein Recreation- Ambiente im Grünen für Paare im gehobenen Preissegment, weshalb ein gewisser Ausstattungsstandard unabdingbar war. "Natürlich ist es reizvoll, so etwas weit ab in der Natur zu schaffen“, erklärt Naturfreund Steiner, "aber dann wird eine zielgruppengerechte, technische Gebäudeausstattung schwierig: Strom, fließendes Wasser, Kanalisation. Dazu gelten Baumhäuser als Bebauung. Um sie in einem Wald zu errichten, ist eine Sondergenehmigung erforderlich. Hier in Schrems war es eine touristische Umnutzung eines einstigen Gewerbebetriebes."
Auf Stelzen errichtet
Strenggenommen sind die Schremser Kleinarchitekturen nicht Baum-, sondern Stelzenhäuser. Entworfen wurden diese allerdings von dem Bremer Architekten Andreas Wenning, einem weltweit operierenden Baumhausspezialisten. 2014 errichtete er hier die ersten drei "Hochbauten". Zwei davon sind einander ähnliche Quader, die zum einen auf einem vorgefundenen Kranfundament und zum anderen auf einer Böschungsmauer ruhen. Ein 16 m hohes Turmhaus, bestehend aus einer holzbeplankten Stahlkonstruktion, überragt diese beiden. Es bietet auf zwei Wohnebenen Raum für vier Gäste.
Im vergangenen Jahr wurde das Ensemble um zwei sogenannte Klippenhäuser erweitert, die felsengleich jäh über die alte, etwa 15 m tiefe Steinbruchkante ragen. In der Sohle des Steinbruchs hat sich über die Jahre ein natürlicher See gebildet. Wie auch die anderen Häuser bestehen die Klippenhäuser aus einer in Brettsperrholz ausgeführten Rahmenkonstruktion, die innenseitig mit massiven, 10 cm dicken Fichtenholztafeln belegt ist. Hierauf kam eine 10 cm starke Holzfaserdämmung, vor die mit einem kleinen Abstand als Luftschicht Außenhautpaneelen in Aluminiumverbundbauweise montiert wurden. Während das Fugenbild - eine formale Reminiszenz an das vertikale Haubild des Steinbruchs - von dem Bauherrn vorgegeben wurde, erfolgte die Anordnung der nur in einer Richtung maschinell gebürsteten Metallflächen verschnittminimiert. Durch eine willkürliche Tafelmontage in Längs- und Querrichtung ergab sich eine auffällige, wohltuend unterschiedliche Lichtreflexion.
Schlafen im Schlaraffenland
Während die älteren Bauten mit ihren Stoffvorhängen subtil einen leicht alternativen Charme verströmen, bedienen die beiden Neubauten eindeutig das Luxussegment. Neben den spürbar größeren Räumen gibt es vor den Panoramafenstern elegante Sitzecken und im hinteren Teil kleine Küchenzeilen mit Minispüle, jedoch weiterhin ohne Herd. In allen Einheiten finden sich Kaffeevollautomaten für eine Heißgetränkzubereitung. Das Ein- und Auschecken geschieht mittels Schlüsseltresoren, deren aktuelle Zahlenkombination dem Gast per SMS kurz vorher mitgeteilt wird. Die Bewohner finden einen gut gefüllten Kühlschrank zur freien Verfügung vor, der neben Getränken auch die Zutaten eines gehobenen Frühstücks in sich birgt. Morgens gegen halb sechs fährt schließlich ein Bote vor, der in einem Stoffsäckchen frisches Backwerk diskret außen an die Tür hängt.
Capri lässt grüßen
Bei den beiden Klippenhäusern drängt sich dem architektonisch interessierten Besucher eine ikonografische Nähe zu der 1942 vollendeten Villa Malaparte auf Capri auf, einem Klassiker der Moderne. Auch dieser Bau steht dramatisch auf einer Klippe und diente seinem Erbauer als privates Refugium. Neben der spektakulären Lage sind den Bauten aber vor allem die großen Fensterflächen gemein, deren Fassungen den imposanten Ausblick wie Landschaftsgemälde rahmen. .
Robert Mehl, Aachen