Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Stahlwerk Becker
Typ:
Städtebauliche Realisation
Ort:
Viersen-Willich [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Heinz Jahnen Pflüger 🔗 (Städtebau)
Materialien:
städtebauliche Konversion, Sanierung
Publiziert:
d+h 01/2023
Seiten:
22 - 25
Inhalt:
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Sanierung Wasserwerk, Willich

Ehemalige Bauruine zum Leben erweckt

In Willich wurde das einstige Wasserwerk des früheren Stahlwerks Becker zu einem Bürogebäude umgebaut. Das neue Dach besteht aus Brettsperrholzelementen, die auf einem Stahltragwerk aufliegen. Mit Stehfalzblechen wurde das Dach verkleidet.
Die Grundstücksgesellschaft Willich beauftragte 2019 das Aachener Architekturbüro HJP (Heinz Jahnen Pflüger)-Planer mit dem Umbau und der Sanierung des mittlerweile denkmalgeschützten, ehemaligen Wasserwerks des Stahlwerks Becker in Willich. Das Büro hatte seinerzeit den Masterplan für die Umwandlung des ehemaligen Stahlwerks zu einem zeitgemäßen Industriepark entwickelt und bereits etliche Sanierungen auf dem Areal realisiert. Um das marode Mauerwerk des ehemaligen Wasserwerks abzufangen, entwarfen die Planer für die beiden Seitenflügel des Gebäudes ein Haus-im- Haus- Konzept. Durch eine 10 cm dicke Dämmschicht getrennt, errichteten sie auf einer neu angelegten, durchgehenden Bodenplatte einen zweiten, innenliegenden Rohbau, an dem sie die äußeren Bestandswände fixierten. Den Mittelbau ließen sie frei und sahen hier ein offenes Treppenhaus in Form einer Stahlkonstruktion vor. Brandschutztechnisch zulässig wurde dies, weil das Treppenhaus nicht als erster Fluchtweg eingestuft wurde. Dieser Fluchtweg führt für alle Räume durch die Fenster nach außen. Die erforderlichen Anleiter- Möglichkeiten und Aufstellflächen für die Feuerwehr wurden eingerichtet.
Planung der Dachkonstruktion aus einer Hand
Das bestehende Dach des ehemaligen Industriegebäudes war baufällig und wurde weitgehend durch ein neues ersetzt. Lediglich im Mittelbau verblieben einige der alten Fachwerkträger aus denkmalpflegerischen Gründen – jedoch ohne eine statische Funktion. Die Dacharbeiten am ehemaligen Wasserwerk wurden von den Architekten in drei Gewerke aufgeteilt: den Schlosser, der die stählerne Tragkonstruktion erstellte, den Zimmermann, der darauf das Dach montierte sowie den Dachdecker, der die Dachfenster einbaute, die Dämmung sowie die Stehfalzbleche auf dem Dach verlegte. Zimmermeister Markus Käding aus Viersen, der für das ehemalige Wasserwerk die Holzdachkonstruktion erstellte, war jedoch klar, dass die Planung der gesamten Dachkonstruktion in einer Hand liegen musste: „Anders bekommt man das nur schwer hin, dass die Unterkonstruktion richtig sitzt, sodass der sichtbare Walmdachgrat sauber in die Gebäudeecke läuft,“ erklärt Markus Käding. Er gibt sich überzeugt, dass ein Zimmermann für diese Aufgabe geradezu prädestiniert sei, da zum einen das Denken von der Dachhaut bis zur Fußpfette dessen „täglich Brot sei“. Darüber hinaus ist er der Ansicht, dass gerade Zimmerer die Handwerker seien, die von ihrem Berufsbild am meisten über den Tellerrand schauen würden.
Zimmerei mit kleinem Team
Markus Käding beschäftigt in seinem Betrieb in Viersen nur zwei weitere Mitarbeiter. Seine Frau übernimmt zudem die Verwaltungs- und Büroarbeiten. Markus Käding schätzt sein überschaubares Team. Zweifellos wäre in seinem Betrieb auch Platz für zehn Mitarbeiter, aber zum einen hat er Lust, selbst zu arbeiten und zum anderen will er gute Qualität abliefern. Und es sei in der jetzigen Zeit ohnehin schwierig, gute Leute zu finden, so Käding. Mehr über den Betrieb Holzbau Käding in Viersen lesen Sie in der dach+holzbau Ausgabe 5.2022 (siehe online unter www.dach-holzbau.de, Stichwort „Holzbau Käding“).
Neue Dachelemente aus Brettsperrholz
Das neue Dach des denkmalgeschützten Gebäudes in Willich besteht aus drei Teilen: einem giebelständigen Satteldach in der Mitte und zwei abgeschnittenen Walmdächern auf den Seitenflügeln. Die Dachelemente ruhen auf einer Stahlkonstruktion, die von Metallbau Janssen aus Kalkar erstellt wurde. Die eigentliche Dachfläche besteht aus einer 10 cm starken Brettsperrholzlage, die auf Fuß-, Mittel- und Firstpfette aufliegt. Die jeweils 8,28 m langen und 2,34 m breiten Brettsperrholzplatten für die Dächer sind zwischen Traufe und First gespannt. Sie weisen auf beiden Längsseiten jeweils einen 6 cm breiten und 2,5 cm tiefen Falz auf. Dieser wurde später mit 12 cm breiten OSB- Platten vollflächig verschlossen, um die Dachfläche auszusteifen.
Die großformatigen Brettsperrholzplatten (BSP) vom Typ „MM crosslam“ wurden vorkonfektioniert vom Hersteller Mayr- Melnhof Holz aus dem österreichischen Leoben bezogen. Gemäß den Vorgaben der Zimmerei wurden im österreichischen Werk die Ausschnitte für insgesamt sechs Dachflächenfenster in den BSP- Tafeln erstellt. Da das Brettsperrholz auf seiner Unterseite noch weiß zu lasieren war, ließ sich Markus Käding das Material zunächst in seine Werkstatt liefern. Die auf den Holzrahmenbau für Einfamilienhäuser spezialisierte Zimmerei verfügt über einen großen Abbundbereich, der von einem Portalkran beschickt werden kann, so dass ein Wenden und Umschichten der tonnenschweren BSP- Platten möglich war. Auf die Massivholzelemente trugen die Zimmerer in der Werkstatt eine atmungsaktive Weißlasur der Koch & Schulte GmbH auf. Schiefe Konstruktion ausgeglichen
Noch in der Werkstatt montierten die Zimmerer Futterhölzer auf den Stahlträgern, auf denen später die Brettsperrholzelemente befestigt wurden. Deren exakte Position und jeweilige Dimension hatte Käding mit dem Computerprogramm „Cadwork“ ermittelt. Bedingt durch die wandschiefe Geometrie des Altbaus musste zwischen den BSP- Tafeln und der Stahlunterkonstruktion vermittelt werden. Ein genaues Aufmaß dazu hatte Markus Käding zuvor von den verwitterten Mauerkronen, dem künftigen Traufbereich des Daches, erstellt. Eine exakte Umsetzung seiner Messwerte hätte aber ein windschiefes Dach ergeben, weshalb er einen symmetrischen Entwurf für alle drei Teildächer machte und diese Konstruktionen jeweils vermittelnd auf die Eckpfosten platzierte. Entsprechend sitzen die Dachecken nicht senkrecht auf den Pfostenecken, sondern verspringen wenige Zentimeter vor oder zurück, was man jedoch von unten nicht wahrnimmt.
Alle Bauteile des Daches hatte Holzbau Käding in der Werkstatt vormontiert. Die Dachelemente wurden dann mit einem extralangen Lkw in das gut 20 km entfernte Willich transportiert, wo sie mit einem bauseits gestellten Kran eingehoben wurden. Sobald die Elemente ihre Position erreicht hatten, fixierte das Zimmerer- Team nicht nur die Holztafeln, sondern auch die Stahlprofile mit Maschinenschrauben und Muttern aneinander.
Dachabschluss
Sowohl in den Seitenflügeln als auch im Hauptdach des ehemaligen Wasserwerks wurden Velux- Dachfenster eingebaut. Entsprechende Aussparungen hatten die großformatigen Brettsperrholztafeln werksseitig erhalten. Holzbau Käding zimmerte für die Dachfenster konische Lichtschächte, um zwischen den Fensterrahmen und den größeren Ausschnitten im Brettsperrholz zu vermitteln. Ihre konische Form erhielten die Lichtschächte auch, um so mehr Licht durch die Oberlichter in die Innenräume zu leiten. Darüber hinaus frästen die Zimmerer an den Oberkanten Nuten ein, sodass die Dachfenster formschlüssig platziert werden konnten. Fixiert wurden die Dachfenster regulär mit Winkeln an der Oberseite der Brettsperrholzelemente. Auf den geneigten Brettsperrholzflächen erstellten anschließend die Dachdecker von Ivangs Bedachungen aus Viersen den weiteren Dachaufbau. Zunächst verlegten die Dachdecker Dampfsperrbahnen und darüber eine 12 cm starke Polyurethan- Hartschaumdämmung. Anschließend verlegten sie Unterdeckbahnen, eine Schalung und darüber Stehfalzschare als abschließende Dacheindeckung.
Robert Mehl, Aachen