Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Fahrradparkhaus
Ort:
Leverkusen [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Heinz Jahnen Pflüger 🔗, Aachen
Materialien:
verzinkter Stahl
Publiziert:
metallbau 9/2023
Seiten:
34 - 36
Inhalt:
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Fahrradparkhaus Leverkusen- Opladen

Leuchtende Verkehrswende

Nach langjährigen Vorbereitungen ist in Leverkusen- Opladen das größte Fahrradparkhaus des Rheinlands in Betrieb gegangen. Der Stahlbau weist eine Gitterrostfassade auf, deren zueinander verkippte Elemente ein irisierendes Licht- und Schattenspiel erzeugen.
Vielleicht bildet das neue Fahrradparkhaus den ideellen Kern, sprich: die gebaute Essenz der neuen Bahnstadt von Leverkusen- Opladen. Dieses städtebauliche Projekt ergab sich aus der Notwendigkeit, den bestehenden Bahnhof Leverkusen- Opladen an den aktuellen Bedarf anzupassen. Dieser befand sich als Inselbahnhof eingezwängt zwischen dem breiten Hauptgleisstrang zwischen Köln und Düsseldorf und einer zusätzlichen, zweigleisigen Güterzugverbindung von Duisburg gen Süden, dem so genannten "Eisernen Rhein". Das beauftragte Aachener Architekturbüro HJP Planer entwickelte die naheliegende Idee, die Gütertrasse neben die Hauptgleistrasse zu verlegen und so ein gut 200 m breites und über zwei Kilometer langes Bauareal zu gewinnen, das ohne eine Gleisquerung mit der Innenstadt verbunden ist. Zunächst entstanden innerhalb der Gleishaupttrasse zwei neue Bahnsteige in Mittellage, die über eine kombinierte Fußgänger- und Fahrradbrücke – versehen mit entsprechenden Aufzugstürmen – erreichbar waren. Direkt schon bei den allerersten städtebaulichen Konzepten sahen HJP Planer zu deren Erschließung eine in einem Rechteck geführte Fahrradrampe vor, die mit einem Wendepodest an der nördlichen Schmalseite und einem verhältnismäßig breiten Rampenauge ausgestattet war, so dass darin ein gut 90 m langes und etwa 5 m breites Fahrradparkhaus eingesetzt werden konnte. Die realisierte Höhe von gut 9 m ergab sich aus der erforderlichen Durchfahrtshöhe unterhalb der daran anschließenden Brücke, um eine elektrifizierte Bahntrasse zu überqueren. Diese Bauhöhe reicht aus für zwei geschlossene Fahrradparkdecks sowie eine dritte, offene Dachterrasse. Während die geschlossenen Parkebenen mit Doppelparkern ausgestattet und gebührenpflichtig sind, weist die oberste Ebene die klassischen Fahrradbügel auf und ist gebührenfrei. Die genial einfache Idee der Architekten war, dass das Erdgeschoss des Fahrradparkhauses seinen Zugang unmittelbar am Fuß der Rampe hat, das Obergeschoss über das Wendepodest erschlossen wird und die Dachebene am Hochpunkt der Rampe barrierefrei erreichbar ist. Die Parkhausebenen wurden nicht waagerecht angelegt, sondern fallen um 1,8 % in Richtung Wendepodest ab. Diese Neigung dient der Entwässerung.
Alternativlose Stahlkonstruktion
Die maßlich knappen und dabei toleranzarmen baulichen Vorgaben ließen allein eine Stahlkonstruktion sinnvoll erscheinen. Weniger entscheidend war, dass die neue Bahnsteigbrücke des Londoner Büro Knight Architects ebenfalls eine in Corten- Stahl ausgeführte Stahlkonstruktion war. Vielmehr war eine möglichst flache Decken- und Dachkonstruktion erforderlich, bei der die Entwässerung unterhalb des Tragwerks über Trapezbleche erfolgt. Die Fußböden des Obergeschosses und der Dachfläche werden aus Gitterrosten gebildet, Regen oder Schmutzwasser fällt durch sie hindurch, wird von den Trapezblechen aufgefangen und abgeführt.
Diese Trapezbleche wurden nun nicht über den kurzen Weg, also quer zu der Gebäudelängsachse gespannt, sondern verlaufen entlang der erwähnten Fallrichtung der Geschossebenen in der Längsachse. Damit das anfallende Regenwasser aber nicht zu einem mächtigen Wasserstrom anschwillt, wurden im Abstand von 6 m Quersammler angelegt, die die anströmenden Teilwassermengen seitlich in Fallrohre drainieren.<br Ein weiterer wichtiger Punkt war für die Architekten die soziale Kontrolle sowohl im Umfeld wie auch innerhalb des Fahrradparkhauses. Da es sich bei Parkhäusern grundsätzlich um ungedämmte Kaltbauten handelt, konnte hier mit einer ausgesprochen dünnen Außenhaut gearbeitet werden. Schnell favorisierte man eine Gitterrostfassade, weil diese eine umfangreiche und natürliche Durchlüftung ermöglichte, und auch ein Abstellen von nassen Fahrrädern kein Feuchteproblem darstellt. Gleichzeitig wird mit den Gitterrosten gerade während der Dunkelheit und dem intern natürlich beleuchteten Parkhaus eine Transparenz hergestellt, die offenbart, was darin gerade geschieht. Zudem haben HJP Planer einige Erfahrung in der Planung von Gitterrostfassaden, da sie schon einmal am neuen Bahnhof Erftstadt ein deutlich kleineres Fahrradparkhaus realisieren konnten, das ebenfalls eine transparente Gitterrostfassade aufweist.
Irisierendes Lichtspiel
Während die Radstation in Erftstadt eine kompakte kubische Silhouette aufweist und über einen kleinen Platz hin durch einen Bahnhofskiosk gleicher Bauart städtebaulich gekontert wird, stellte sich Prof. Jahnen von HJP Planer die Frage, wie man eine gut 90 m lange und 9 m hohe Fassade befriedigend gliedert. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee der leicht zueinander verkippten Gitterroste, die tagsüber eine gewisse optische Unschärfe in der Fassadengeometrie erzeugen. Nachts, wenn sie von oben mit Streiflicht angestrahlt werden, erscheinen die Roste – je nachdem, ob sie dem Lichtstrahl zu- oder abgewandt sind – mal hell erleuchtet, mal abgeschattet dunkel. So entsteht ein leuchtendes Schachbrettmuster, das den ganzen Bau noch wertiger erscheinen lässt. Die Hanenberg Projekt GmbH, ein auf Baukonstruktion spezialisiertes Ingenieurbüro, prüfte im Vorfeld die verkippte Gitterrostfassade auf ihre grundsätzliche Machbarkeit.
Handwerkliches Können
Eine erste große Herausforderung war für den ausführenden Metallbaubetrieb, die Metallbau Apelrath GmbH aus dem münsterländischen Nottuln die Vorbereitung der bereits realisierten Fahrradrampe zur Erschließung der Bahnsteige für den Einbau des geplanten Fahrradparkhauses in das Rampenauge. Da dessen Obergeschoss über das Wendepodest an der nördlichen Schmalseite barrierefrei erschlossen wird und um eine gleichmäßige Rampensteigung zu erhalten, wurde der obere Rampenteil um eine Gebäudeachse (ca. 6 m) verkürzt. Der untere Rampenteil vom Straßenniveau bis zum Wendepodest blieb jedoch in seiner Länge erhalten und wurde aufgrund der Kürzung des oberen Rampenteils wie auch das nördliche Wendepodest um dieses Achsenmaß nach Süden zur Bahnhofsbrücke versetzt. Dafür war es erforderlich, zwei neue Stützen zu fertigen und entsprechend neue Fundamente anzulegen. Nicht nötig war eine Verbreiterung des Rampenauges.<br Herausfordernd war auch die Entwicklung eines hinreichend kostengünstigen, in einfacher und schneller Montage realisierbaren Befestigung der geneigten Gitterrostelemente. Zunächst hatte man mit vier justierbaren Stellschrauben pro Gitterrost geplant. Die überzeugende und letztlich ausgeführte Version schlug schließlich der projektverantwortliche Meister Matthias Strauch von Metallbau Apelrath vor: Anstatt der 6.000 Stellschrauben wurden für die Befestigung der gut 1.500 Gitterroste deutlich günstigere, vorgebogene Langloch- Stellwinkel verwendet. Diese besaßen eine Neigung von +/- 2° gegenüber dem rechten Winkel (also 88° bzw. 92°) und eine Schenkellänge von 80 x 120 mm.<br Im Rahmen der Baumaßnahme, die mehr oder weniger die gesamte Dauer der Corona- Pandemie währte, wurden insgesamt etwas mehr 217 t Stahl verbaut. Dabei hatten die Architekten die Maße so angelegt, dass das Tragwerk relativ zügig mit einem Autokran errichtet werden konnte. Die Fassadengitterroste waren jedoch so leicht und handlich dimensioniert, dass sie von einer Person getragen und montiert werden konnten. Dies senkte erheblich die Maschinenkosten und verkürzte die Bauzeit.
Teamarbeit schafft Nachhaltigkeit
Rückblickend loben sowohl der Metallbaubetrieb wie auch die Architekten die hervorragende Zusammenarbeit und die qualitätsorientierte Geduld des Bauherrn, die Entwicklungsgesellschaft Neue Bahnstadt Opladen GmbH. Mit insgesamt 411 Stellplätzen ist so das größte Fahrradparkhaus im Rheinland entstanden, das einen effektiven Baustein zur lange verkündeten Verkehrswende darstellen kann: Hier steht ein Fahrrad sicher, zum Kölner HBF braucht ein Zug nur zwölf Minuten. Und die Züge sind zeitlich so schnell getaktet, dass man sich nach keinem Fahrplan mehr richten muss: Das ist eine echte Alternative zum Auto!
Robert Mehl, Aachen

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