Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Haus Hofgaertner
Typ:
Wohnhaus
Ort:
Florham Park
Staat:
USA
Architekt:
Todd Koenig 🔗, Wharton
Materialien:
Ruf & Keller GmbH 🔗, Watterdingen (Stahlbau)
Publiziert:
baublatt 4/2024
Seiten:
36 - 39
Inhalt:
[Artikel]  [2]      
 

Europäischer Stahlbau in den USA

Sprung über den Teich

Hochwertige Stahldetails für den gehobenen Einfamilienhausbau sind in den USA praktisch unbekannt, werden aber von solventen Bauherren zunehmend nachgefragt. Treppen, Geländer oder Pergolen bestehen dort durchweg aus Holz, auch gilt die entsprechende Kompetenz im Stahlhandwerk als gering. Die mittelständische Ruf & Keller GmbH aus Schaffhausen bedient nun erfolgreich diese Marktlücke.
Angefangen hat alles für die Ruf & Keller GmbH aus Schaffhausen im Jahr 2014. Damals hatte das Unternehmen den Auftrag, in einem deutsch-schweizerischen Grenzort einen Stahlbalkon für ein älteres Einfamilienhaus zu bauen und diesen zu montieren. Auftraggeber war mit Dr. Wolfgang Hofgaertner ein deutsch-amerikanischer Mediziner, der in den Vereinigten Staaten zu Wohlstand gekommen war. Es handelte sich um sein Elternhaus, in dem seine betagte Mutter wohnte. Der Auftraggeber zeigte sich begeistert von der Ausführung und der Qualität des Stahlbaubalkons und stellte fest, dass es so etwas in den Vereinigten Staaten nicht gibt. Auch existiert in den USA kein Ausbildungssystem für das Handwerk mit Auszubildenden, Gesellen und Meistern: Jeder ist berechtigt, etwa einen Schlossereibetrieb zu eröffnen, was die Auswahl qualifizierter Handwerker ungleich erschwert.
Dr. Hofgaertner lud Markus Ruf, den Inhaber der Ruf & Keller GmbH ein, doch einmal nach Amerika zu kommen und sich selbst von der Existenz dieser Marktlücke zu überzeugen.
Markus Ruf reagierte darauf zunächst sehr zurückhaltend. Er war davon überzeugt, dass es in einer 340 Millionen Einwohner zählenden Volkswirtschaft sicherlich keines mittelständischen Stahlbauers aus Schaffhausen bedürfe und liess das Angebot einige Jahre ruhen. Doch Herr Dr. Hofgaertner sowie seine amerikanische Partnerin Frau Christine Coster insistierten und konnten ihn im September 2018 für eine Reise nach New Jersey gewinnen. Das zu dieser Zeit noch im Rohbau befindliche Haus des Paars liegt in Florham Park, etwa eine halbe Stunde Zugfahrt vom New Yorker Stadtzentrum entfernt.
Der inzwischen fertig gestellte Neubau ist für europäische Verhältnisse extrem weitläufig. Es ist ein Hybrid aus halböffentlichem Repräsentationsbau und privatem Wohnhaus, wobei der eigentliche Wohnbereich streng vom repräsentativen Teil getrennt ist.
Unendliche Weiten
Das für ihre siebenköpfige Patchwork- Familie errichtete Gebäude – mittlerweile sind alle fünf Kinder aus dem Haus – verfügt über eine Wohnfläche von etwa 1.000 Quadratmeter, weist jedoch zahlreiche Gäste- und Kinderzimmer mit separaten Bädern auf. Dazu gibt es fünf Küchen (eine Hauptküche, eine Butler´s Pantry, eine Frühstücksküche, eine Küche im angegliederten Swimming- Pool- Haus und eine Outdoor- Küche). Zusätzlich finden sich weitere Wohn- und Speisezimmer, ein Arbeitszimmer, ein Heimkino, ein Fitnessraum sowie eine Sauna und ein Dampfbad. Ergänzt wird diese für europäische Verhältnisse grosse Zimmeranzahl um eine Freizeit- und Musiketage im Spitzboden. Hinter dem auf einer Geländekuppe liegenden Gebäude befindet sich zudem ein Schwimmbecken mit angeschlossenem Whirlpool. Dieser Bereich wird flankiert von einer BBQ- Küche und einer separaten Cocktailbar.
Bei der ersten Amerika- Reise von Markus Ruf existierten all diese Ausbauten nur auf dem Plan. Das Bauherrenpaar nutzte Rufs einwöchigen Aufenthalt, um ihm die Häuser von Freunden und Bekannten im weiteren Umfeld von New York zu zeigen. Dabei besichtigte Ruf auch Anwesen mit Wohnflächen vonbis zu 6.000 Quadratmeter.
Seine Gastgeber verwiesen immer wieder auf den Umstand, dass diese Anwesen zwar einerseits sehr weitläufig sind, nicht aber die von Europäern erwarteten, entsprechenden Ausbaustandards aufwiesen. So waren die Treppen, Geländer und Balkone durchweg in Holz gefertigt, die Innentüren besassen keine Falze, die Türrahmen keine Zargen, weshalb Licht und Schall ungehindert durch die klaffenden Türstösse drang. Das Paar verdeutlichte so Markus Ruf, dass in den USA durchaus ein Bedarf an europäischen Bauprodukten im Objektbereich existiert.
Fünf Stahltreppen und mehr
Noch vor Ort nahm Markus Ruf den Auftrag an, fünf Stahltreppen in Europa zu bauen, diese in die Vereinigten Staaten zu verschiffen und dort deren Montage vor Ort zu überwachen. Nach seiner Rückkehr liess er in dem Programm SolidWorks digitale 3D- Planzeichnungen von seinen hauseigenen Ingenieuren entwickeln, überprüfte diese vor Ort in den USA und fertigte anschliessend in seinem Betrieb die Treppen. Im Mai 2019 wurden die Treppen verschifft und anschliessend erfolgreich montiert. Die Bauherren zeigten sich einmal mehr begeistert von der Ausführung und der Qualität der Treppen und beauftragten daraufhin die Ruf & Keller GmbH mit dem Bau von Aussengeländern und drei Pergolen aus Stahl für den Poolbereich.
So flog Ruf Anfang März 2020 – die Corona- Pandemie stand kurz vor ihrem Ausbruch – erneut in die Staaten, um ein Aufmass für diesen Auftrag zu erstellen. Sein Rückflug war tatsächlich einer der Letzen, der aus den Vereinigten Staaten nach Europa ging. Es folgte der weltweite Lockdown und Markus Ruf legte das Projekt zunächst für mindestens zwei Monate zur Seite. Die Bauherren bekräftigten allerdings ihr weiterhin bestehendes Interesse an der Pergolen- Ausführung durch die Ruf & Keller GmbH und versicherten, dass sie damit auch bis zum Lockdown- Ende warten würden. Dass sich damit eine gut eineinhalbjährige Verzögerung ergab und schlussendlich fast zwei Jahre zwischen Auftragserteilung und deren Fertigstellung lag, war damals nicht abzusehen. Markus Ruf rechnet das Warten seiner Bauherren sehr hoch an!
Korrosion
Anders als in Europa, wird in den Vereinigten Staat ein wirksamer Korrosionsschutz weitgehend vernachlässigt. Während in unseren Breiten Feuerverzinkungen und Pulverbeschichtungen Alltag am Bau sind, führt man dort entsprechende Arbeiten im Wohnungsbereich nach wie vor von Hand, etwa mit der Lackrolle aus. Entsprechend zeichnet den europäischen Stahlbau nicht nur die Kompetenz und die maschinentechnische Ausstattung zur präzisen Produktion der Bauteile aus, sondern darüber hinaus auch die dauerhaft beständigen und optisch attraktiven Schutzbeschichtungen. Auch dieses ist ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt bei der Herstellung von Metallbauteilen in Europa.
Baustoffhandel
In der Bauphase zog die Bauherrenschaft die Ausstattung mit weiteren europäischen Ausbaudetails in Betracht. Kurz entschlossen fragten sie bei Markus Ruf an, ob er auch anders gelagerte Bauprodukte beschaffen und nach Amerika senden könnte.
Das konnte er durchaus, weshalb nunmehr in dem Wohngebäude 53 schalldämmend gefalzte Innentüren mit entsprechenden Türzargen (in den USA komplett unüblich) und fünf hochwertige Einbauküchen verbaut wurden. Darüber hinaus wurde ein Buchenparkettboden verlegt und entsprechende Fussleisten montiert. Denn tatsächlich ist Buche in Nordamerika eines der teuersten Bauhölzer überhaupt, da die Baumsorte vor Ort kaum mehr vorkommt. Das hochwertige Holz wurde nämlich während der Besiedlung im 19. Jahrhundert gezielt geschlagen und nie nachgepflanzt. Schliesslich wurde das Anwesen auch noch mit europäischen Designermöbeln ausgestattet, da dort vornehmlich altitalienische Möbel im Objektbereich nachgefragt werden. Diese wurden ganz regulär bei renommierten Möbelherstellern für den Objektbereich eingekauft.
Sinn und Zweck
Markus Ruf merkt an, dass es für erfolgreiche Geschäfte mit US-amerikanischen Kunden unerlässlich ist, die europäische Brille ab- und eine amerikanische aufzusetzen. Oft gilt dort, dass Anschaffungen nicht getätigt werden, weil sie erforderlich sind, sondern weil man "es sich leisten kann und auch will".
Seine deutsch-amerikanische Bauherrschaft bildet insofern eine Ausnahme, da diese den Bau nicht nur bewohnen, sondern damit auch einen Showroom für europäische Bauprodukte schufen. Die Aufgabe von Markus Ruf ist es, diese Bauprodukte herzustellen oder zu beschaffen. In dem Neubau der Familie Hofgaertner- Coster werden diese dann im Rahmen von so genannten House- Parties präsentiert und Verkäufe angebahnt. Tatsächlich ist diese Art der halböffentlichen Events in den USA sehr beliebt: Man lädt dazu sein erweitertes Netzwerk ein oder Menschen, bei denen man eine entsprechende Kaufabsicht vermutet.
Genau für diese Veranstaltungen gibt es die scharfe Trennung zwischen dem repräsentativen Wohnungsteil und den strikt privaten Räumlichkeiten. Denn natürlich ist es auch in den USA nicht erwünscht, dass wildfremde Menschen im eigenen Schlafzimmer stehen. Für diese Art der Parties sind daher auch die erwähnten zahlreichen Gästezimmer und natürlich die Outdoor- BBQ- Kitchen, wie auch die Cocktailbar am Pool vorgesehen. Bei einem Event werden diese Orte – ebenso wie die Hauptküche – von einem eigens angemieteten Caterer genutzt.
Schlussendlich kann man Markus Ruf, Dr. Wolfgang Hofgaertner und Christine Coster, die zwischenzeitlich mehrere gemeinsame Firmen, unter anderem für den Vertrieb von Bauprodukten gegründet haben, nur gratulieren zu ihrer grandiosen Idee! !
Robert Mehl, Aachen
https://www.baublatt.ch/baupraxis/europaeischer-stahlbau-in-den-usa-sprung-ueber-den-teich-35468