Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Technologie-Zentrum f. Energieeffizienz & Barrierefreiheit (TBZ)
Typ:
Berufsschule
Ort:
Köln [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Materialien:
Stahl, Glas, Beton
Publiziert:
tab 06/2016
Seiten:
62 - 64
Inhalt:
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Neues Technologie- und Bildungszentrum der Handwerkskammer Köln

Schulung im Showroom

An der Handwerkskammer Köln wurde ein Ausbildungszentrum speziell für regenerative Energien geschaffen, in dem der handwerkliche Umgang mit den entsprechenden Energieträgern vermittelt wird. Bei den innovativen Anlagen handelt es sich teilweise sogar um innovative Vorserienmodelle. Die technische Ausstattung ist durchaus mit der eines Hochschulinstituts vergleichbar, kann diese sogar übertreffen.
„Thema unseres Entwurfes war die Präzision im Handwerk“, erläutert Thomas Schmidt, Vorstandsmitglied und verantwortlicher Architekt der Bochumer SSP AG, die 2011 den entsprechenden Architekturwettbewerb gewinnen konnte. „Die Zeit hat sich gewandelt, heute geht es nicht mehr darum, „nur“ Steine zu stapeln oder Bretter zusammenzuschrauben, heutzutage ist auch im Handwerk eine Genauigkeit gefordert, die mit dem Automobilbau vergleichbar ist. Das wollten wir zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig ging es auch um Transparenz und um eine Sichtbarmachung des Schulungsgegenstandes, der sowohl nach innen wie auch nach außen gezeigt werden sollte: regenerative Energien.“
Auszubildende, aber auch ausgelernte Handwerker in abendlichen Fortbildungen sollen hier den Umgang mit entsprechenden Energieerzeugern erlernen. Insgesamt gibt es sechs funktionstüchtige Musteranlagen, die an das Versorgungsnetz des über einen Hektar großen Bildungszentrum der Handwerkskammer angeschlossen sind und bei Bedarf auch die umliegenden Bestandsgebäude mitversorgen können. So gibt es ein erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk und dessen Weiterentwicklung in Form einer mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle – ein Vorserienmodell der Firma Vaillant. Darüber hinaus gibt es eine hocheffiziente Therme und eine vollautomatische Hackschnitzelanlage, in der Holzpellets verbrannt werden. Die Pellets bestehen aus den Holzabfällen der Lehrwerkstätten für Schreiner, Dachdecker und Zimmerleute und werden an anderer Stelle auf dem Geländer der HWK produziert. Über einen unterirdischen Kanal werden die fertigen Pellets dann der mit einer Leistung von 500 kW bewusst überdimensionierten, aber für die Lehre in dieser Größe erforderlichen Pelletfeuerung zugeführt. Auf dem Dach befinden sich eine Solarthermieanlage zur Warmwasserbereitung, ferner das Rückkühlwerk einer Klima- sowie eine Lüftungsanlage. Photovoltaische Technologien werden derzeit an dem Bau nur exemplarisch an einer Obergeschossloggia gezeigt, da auf dem Dach eines Nachbargebäudes eine rund 4.000 m² große Standardanlage installiert ist. Ursprünglich wollten die Architekten an dem Bau noch fassadenintegrierte Photovoltaik thematisieren, die etwa in die äußerste Schicht einer Dreifachverglasung oder in ein Glasdach integriert ist. Jedoch sind diese Produkte in Deutschland derzeit nicht verfügbar, da der Markt hierfür derzeit vollkommen eingebrochen ist.
Behindertengerecht lehren
Das PV- Element in der Obergeschossloggia wurde vor allem für die bauliche Umsetzung des zweiten konzeptuellen Standbeins des Technologie- und Bildungszentrums (TBZ) realisiert, der Barrierefreiheit. Didaktisches Ziel hierbei ist, bei den Auszubildenden eine Sensibilität für behindertengerechtes Bauen zu schaffen und natürlich auch Betroffenen das Erlernen solcher technischen Berufe zu ermöglichen. „Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass ein körperlich beeinträchtigte(r) grundsätzlich im Rollstuhl sitzt!“, so Thomas Schmidt, „Behinderte können ja auch blind, gehbehindert oder taub sein! Es sind nicht nur Stufen und Wendekreise, die über eine entsprechende Eignung entscheiden, manchmal sind kleine Baudetails entscheidend!“ Obwohl es wieder auf den Rollstuhl abzielt, nennt er als Beispiel die erwähnte Loggia, da neben einer Stufenfreiheit auch auf eine Schwellenfreiheit zu achten ist. Natürlich würden Gehbehinderte auch Treppen nehmen, ob sie diese jedoch regelmäßig nutzen, hängt meist nur von der Funktionalität des Handlaufs ab. Oder zum Thema Sehbehinderung: Hier sei es wichtig, mit klaren Formen und starken Kontrasten zu arbeiten, um Betroffenen die Orientierung zu erleichtern. Entsprechend wurden alle Innenwände, bis auf die des Sichtbetongebäudekernes, in Weiß angelegt und alle Türen sowie der Fußboden, als Kontrast, in Schwarz. Für die Gehörlosen wurden in Ergänzung zu den regulären akustischen Feuermeldern zusätzlich optische Signalgeber installiert. Schließlich wurde im Gebäude noch eine Musterwohnung für Behinderte eingerichtet, wo die Auszubildenden sich die Erfordernisse eines rollstuhlgerechten Bades oder einer entsprechenden Küchenzeile in Realität anschauen können.
Transparente Lehre
„Wir wollten die technischen Anlagen nicht in einem Hausanschlussraum im Keller verstecken“, erläutert Thomas Schmidt. So wurden die nicht auf dem Dach installierten Musteranlagen in regulären Schulungsräumen im Erdgeschoss untergebracht: Es gibt einen Raum für die Brennstoffzelle, einen für das Blockheizkraftwerk und einen weiteren für die Wärmepumpe. Durch eine geschosshohe Verglasung sind diese Schulungseinheiten optisch mit dem zentralen Erschließungsfoyer verbunden, auch sind die im Raum freistehenden technischen Anlagen nach außen, insbesondere am Abend, sehr präsent. Aber auch die Ergebnisse handwerklicher Tätigkeiten wurden visuell speziell für die Auszubildenden inszeniert. Alle Leitungen wurden geordnet auf den Sichtbetonflächen verlegt. In den theoretischen Schulungsräumen im Obergeschoss sind partiell Abhangdecken als Heiz/Kühlsysteme montiert, die einen Leitungseinbau in diesem Kontext zeigen. Das sichtbare Handwerkliche setzt sich an den Innentüren fort, deren Zargen- Anschlussfugen zwar entsprechend abgedichtet, aber optisch nicht verschlossen wurden. Im technischen Ausbau wird die gesamte Anwendungsbandbreite gezeigt. So wurden drei verschiedene Heizkörperarten verbaut; es gibt eine Fußbodenheizung, Unterflurradiatoren und selbstverständlich normale Heizkörper. Auch beim Sonnenschutz wurden drei verschiedene Varianten realisiert: Es gibt einen außen liegenden mit mechanischen Großlamellen, eine starre, glasintegrierte Blendschutzlamelle im Scheibenzwischenraum (Hersteller: Köster) sowie einen innen liegenden Sonnenschutz mit einer Lichtlenklamelle.
Europaweit bislang einmalig
Prominent und unübersehbar steht neben dem Neubau ein „abgesägtes“ Windrad mit gestutzten Rotoren, das den Reigen der regenerativen Energien komplettiert. Eine funktionstüchtige Variante war an dieser Stelle städtebaulich nicht genehmigungsfähig, weshalb man den Schaft teilte, so dass die Azubis sowohl den Aufstieg auf ein Windrad wie auch die Wartung eines Windradgetriebes und -motors üben können. Es ist das einzige 1:1-Modell seiner Art in Europa. Finanziell möglich wurde die exemplarische Konzentration so vieler regenerativer Energieformen und die Realisierung des insgesamt 6,7 Mio. Euro teuren Bauprojektes mittels dreier Fördergeber: des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), des Landes NRW sowie der EU. Gerne betonen die Architekten, dass die technische Ausbauqualität des TBZ einem Hochschulinstitut mindestens gleichkommt, wenn nicht gar übertrifft. Die hohe bauliche Qualität wie auch die ästhetisch überzeugende Synthese aus behindertengerechtem Bauen ist so vorbildhaft, dass bereits der Bundespräsident Joachim Gauck im November diesen Bau besucht hat.
Robert Mehl, Aachen