Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Stadtbibliothek
Typ:
Bibliothek
Ort:
Calgary [Satellit]
Staat:
Kanada
Architekt:
Snøhetta 🔗, Oslo
Materialien:
Beton, Aluminiumfassade, Glas
Publiziert:
structure 25.01.2019
Seiten:
online
Inhalt:
[Artikel]  [2]      
 

Neue Stadtbibliothek von Calgary

Ein Gebäude als Schnittmenge

Im kanadischen Calgary hat das norwegische Architekturbüro Snøhetta die neue Stadtbibliothek auf einer hoch frequentierten Stadtbahntrasse errichtet. Dazu wurde die Gleisanlage bis 55 m weit spannenden Stahlbetonträgern eingehaust, da die Straßenbahn mit Einfahren in das Gebäude eine Kurve durchfährt.
Und das im digitalen Zeitalter: Über die Hälfte der Einwohner der kanadischen Großstadt Calgary mit immerhin 1,2 Mio. Einwohnern sind aktive Nutzer des lokalen Bibliothekssystems. Die alte Bibliothek war bei weitem zu klein, weshalb 2012 ein internationaler Wettbewerb ausgelobt wurden, den das norwegische Architekturbüro Snøhetta gewann. Diese bildeten eine Arbeitsgemeinschaft mit dem für die Gebäudemechanik zuständigen Designbüro Dialog und mit dem Ingenieurbüro Entuitive für die Tragwerksplanung. Der Bau besteht nur aus zwei Fassaden: Zwei Kreisbögen, die eine Fläche umschreiben, die an eine Schnittmenge der Mengenlehre erinnert. Die Form leitet sich von der Trasse einer hoch frequentierten Stadtbahntrasse ab, die der Bau auf seiner Westseite quasi als Einhausung überbaut. In einer langgestreckten Kurve taucht diese innerhalb des Gebäudes aus dem Untergrund auf und fährt dann oberirdisch weiter.
Rückblickend betrachten die Ingenieure von Entuitive die Stadtbahneinhausung als größte, konstruktive Herausforderung, zumal der Neubau "unter'm rollenden Rad" zu erfolgen hatte: An eine Stilllegung der hoch frequentierten Trasse war nicht zu denken. Der Neubau ruht auf Pfahlgründungen mit einem Durchmesser von1,80 m, die bis zu 33 m tief in den felsarmen Boden getrieben wurden. Die Bibliothek ist in dem nominell sechsgeschossigen Gebäude oberhalb des 2. OG untergebracht. Hier ist der Bau von radial zum jeweiligen Fassadenbogen angeordneten, bis zu 12 m weit spannenden Sichtbetonunterzügen geprägt, auf den ebensolche Decken aufliegen.
Im Zentrum der Bibliothek findet sich eine große, gebäudehohe, erneut schnittmengenartige Treppenhalle, im Westen wird sie von der Stadtbahn umfahren, auf der Ostseite liegt der Haupteingang. Ihre mit zedernholzverkleideten Flanken wirken wie geschwungene Bänder, die die Geschosse miteinander verbinden: Es sind alles einläufige Treppen, die bis zu 10 m weit auskragen. Um die Treppenhalle zusammen mit der Straßenbahn zu überspannen wurden mit mehreren brückenartigen Bindern gearbeitet, von denen der größte eine Länge von 55 m misst und 200 t schwer ist. Alle Binder mussten dabei einzeln gesetzt und erst mit der anstehenden Bewehrung final verschweißt und vergossen werden, bevor der folgende platziert werden konnte. Die entsprechenden Schweißarbeiten dauerten Wochen.
Das Gebäude besitzt eine Aluminiumfassade, die in ihrer Grundstruktur aus prismenartigen Feldern besteht, deren Innenflächen, ausgehend von einer augenfälligen, senkrechten Mittellinie strukturiert sind. Häufig sind die so entstandenen Teilflächen mit einer dreifachen Festverglasung durchbrochen, über die der Bau neben dem großen Treppenhallenoberlicht belichtet wird.
Die sich über fünf Jahre hinziehenden, teilweise mit hohem technischen Aufwand betriebenen Arbeiten beeinträchtigten kaum den Zugverkehr, dessen Pünktlichkeit auf 99 % beziffert wird. Auch gelang es das Projekt $ 10 Mio. CAD günstiger als veranschlagt abzuschließen und zudem im Zeitplan zu bleiben.
Robert Mehl, Aachen
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