Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Rosensteinpavillon
Typ:
Gradierte Betonschale
Ort:
Schloss Rosenstein, Stuttgart (Premiere) [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Werner Sobek 🔗, Stuttgart
Materialien:
Gardientenbeton
Publiziert:
Beton Bauteile 2019
Seiten:
96 - 97
Inhalt:
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Ein Gespräch mit Univ.-Prof. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek, Stuttgart

»Eine Optimierung des Bauteilinnenraums«

 
Herr Prof. Sobek, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 65. Geburtstag! Dem sogenannten „Rosensteinpavillon“ wohnt eine sinnfällige skulpturale Qualität inne. Wann wurde das Projekt initiiert?
Die eigentlichen Planungen für den Rosenstein- Pavillon begannen im Sommer 2017 – aber natürlich haben wir hierbei auf vielen konzeptionellen Überlegungen und praktischen Entwicklungen aufgebaut, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten an meinem Institut entstanden sind. Besonders wichtig ist hierbei natürlich die Idee des von mir Ende der 1990er Jahre entwickelten Gradientenbetons sowie neuartiger Schalungsmethoden für doppelt gekrümmte Flächen.
Gibt es schon erste Ansätze für die industrielle Nutzbarkeit des Konzeptes?
Ja – wir sind gerade mit einem großen Indus-trieunternehmen über die großmaßstäbliche Umsetzung von Bauteilen aus Gradientenbeton im Gespräch. Aus Gründen der Vertraulichkeit kann ich momentan leider noch nicht mehr sagen – ich denke aber, dass wir schon in der nächsten Ausgabe Ihres Jahrbuchs wesentlich mehr berichten können.
Wurde in diesem Zusammenhang auch schon einmal die Frage des Brandschutzes erörtert?
Der Rosenstein- Pavillon ist eine Experimentalstruktur, die für den temporären Einsatz in einer Ausstellung konzipiert wurde. Für den dauerhaften Einsatz in anderem Kontext müssten natürlich in diversen Bereichen Anpassungen vorgenommen werden. Im vorliegenden Fall ging es aber zuvorderst darum, das große Potential des Werkstoffs Gradientenbeton aufzuzeigen.
Woraus bestanden die ressourcenschonenden Aussparungen in der Schalung?
Alle 69 Schalensegmente wurden mittels 18 unterschiedlicher Schalungen hergestellt, die jeweils bis zu 4-mal wiederverwendet werden konnten. Die Schalungen wurden auf einer CNC- Fräse hergestellt, mit einem Trennmittel beschichtet und mit Beton gefüllt. Aufgrund der hohen Frühdruckfestigkeit des Betons von 40 MPa nach 24 h konnten die Segmente bereits einen Tag nach dem Gießen ausgeformt werden. Anschließend konnte die Schalung für die Produktion anderer Segmente des gleichen Typs wiederverwendet werden.
Gibt es Ansätze, solche Strukturen mittels 3D- Drucker zu erstellen? Was spricht dafür, was dagegen?
Bei unseren Forschungen am ILEK untersuchen wir unterschiedliche Fertigungsverfahren. Als besonders zielführend haben sich dabei das schichtweise Gießen mit mesogradiertem Beton, das automatisierte Spritzen von Gradientenbeton und das Drucken von Gradientenbeton erwiesen. Beim schichtweisen Gießen werden Betone mit gegebenenfalls unterschiedlichen Mischungszusammensetzungen horizontal und vertikal im Bauteil geschichtet, wobei gleichzeitig Betonhohlkörper, etwa Betonhohlkugeln, eingebracht werden. Hierbei können wir bereits heute 40 % und mehr an Betonmasse bei gleicher Leistungsfähigkeit des Bauteils einsparen. Die Eigenschaftsübergänge bei diesem Verfahren erfolgen durch den Materialauftrag, können also anhand von Anzahl und Dicke der Schichten sowie Variationsgraden der Mischungen und der Positionierung der Hohlkörper gesteuert werden. Die Betoniergeschwindigkeit wird so gewählt, dass es keinerlei Verbundprobleme, also keine spätere Delaminationsgefahr zwischen den einzelnen Schichten gibt. Das Verfahren ist besonders interessant für die Herstellung einachsiger Gradierungen. Will man stufenlose mehrachsige Gradierungen erzielen, dann werden entweder der Einsatz eines Mehrdüsen- Spritzverfahrens oder ein 3D- Druck mittels Extrusionsverfahren erforderlich. Die für das Mehrdüsenspritzverfahren erforderliche Steuerungstechnik ist komplex. Wir haben diese gemeinsam mit dem Institut für Systemdynamik ISYS und dem Institut für Werkstoffe im Bauwesen IWB, beides Universität Stuttgart, entwickelt. Ein 3D- Druck mittels Extrusionsverfahren interessiert uns nur bei gleichzeitiger Einbringung einer Gradierung, da nur so signifikante Massen- und damit CO2-Einsparungen möglich sind. Auch hieran arbeiten wir. Wir haben bereits einen geeigneten Mehrkanalspritzkopf entwickelt, der das kontinuierliche Drucken unterschiedlicher Gradierungen erlaubt. Wesentlicher Partner bei dieser Entwicklung war hierbei neben den schon genannten Instituten ISYS und IWB das Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design IKTD der Universität Stuttgart.
Sind schon weitere Projekte in dieser Bauweise geplant? Was für Entwicklungen dürfen wir in diesem Umfeld in der nächsten Zeit erwarten?
Als nächsten Schritt hin zu einer breiten Anwendung insbesondere des mesogradierten Betons stellen wir gerade am Institut ILEK eine Reihe von Bauteilen her, die allesamt einer Reihe der einschlägig angewandten Tests unterzogen werden. Unsere bisherigen theoretischen wie unsere experimentellen Untersuchungen zeigen Einsparpotentiale bei den einzubauenden Betonmassen von mehr als 40 % auf. Wir erachten dies als großen Erfolg, ist dies doch schließlich einer unserer wichtigsten Beiträge für ein Bauen mit reduziertem Ressourcenverbrauch sowie reduzierten Emissionen. Build for more with less – für mehr Menschen mit weniger Material bauen, heißt die Devise.
Herr Prof. Sobek, wir danken für das Gespräch!