Projektart:
Anfrage:
Objekt:
One Kenmare Street
Typ:
Büro- und Wohngebäude
Ort:
New York [Satellit]
Staat:
USA
Architekt:
Materialien:
Ziegelmauerwerk, Glasfassade
Publiziert:
Profile USA 04/2008
Seiten:
66 - 73
Inhalt:
[Artikel]      
 

One Kenmare Square, New York/USA

Blickfang mit Schwung

 
Mr. Wilson, ein Blick auf den Stadtplan von Manhattan verrät, dass es nur wenige Grundstücke gibt, die eine ähnlich prominente Position markieren. Inwiefern hat die Lage Ihren Entwurf beeinflusst?
Gerade das gleichmäßige Raster der New Yorker Innenstadt mit seinen durchlaufenden Straßenachsen unterbindet stark das Ausbilden von leuchtturmartigen Gebäudestandorten. Eine der seltenen Ausnahmen in der Stadt ist das Grundstück an der Kreuzung Lafayette und Kenmare Street. Hier endet mit der Kenmare Street die östliche Haupteinfallstraße zur City. Unser Gebäude mit seinen 10 Geschossen sieht man schon von der gut zwei Meilen entfernten Williamsburg Bridge. Aufsehen erregt es durch seine subtile Fassadenstruktur. So nimmt man aus einer größeren Entfernung zunächst nur die durchlaufenden Fensterbänder wahr, deren Eindeutigkeit jedoch durch ein irritierendes Spiel von Lichtreflexen und Schattenverläufen seltsam gestört wird. Erst etwa hundert Fuß vor dem Objekt wird das Rätsel als sinusförmig geschwungene Gebäudefront entlarvt. Doch der Wechsel von konvexem und konkavem Bogen verläuft nicht lotrecht, sondern allmählich von rechts unten nach links oben. Dabei verspringt die Sinuswelle etwa um zwei Fensterachsen pro Geschoss zur Seite.

Was für eine Entwurfsidee hatten Sie bei diesem Projekt?
Insbesondere die Ausgestaltung der Schauseite zur Lafayette Street sehen wir in der Tradition der Geschäftshäuser, die aus Ziegeln errichtet, das New Yorker Stadtbild zu Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts bestimmt haben. Auch die Bewohner schätzen diesen „industriel touch“. Er verleiht den Wohnungen die Anmutung eines Lofts in einer alten Fabrik.

Wie konnte die geschwungene Fassade konstruktiv bewältigt werden?
Um den Kurven- Versprung konstruktiv zu bewältigen, haben wir die Geschosse, einer Stufenpyramide nicht unähnlich, übereinander gestaffelt. Dabei vollführen immer ein Fensterband sowie die Fensterbrüstung im Geschoss darüber eine identische Kurvenbewegung. Diese Übereinstimmung erwies sich auch bei der Herstellung der Brüstung als große Orientierungshilfe. Gleichwohl auch das doppelschalige Mauerwerk die handwerklich sehr anspruchsvolle Schwingung nachvollzieht, brauchten sich die Maurer lediglich an der Vorderkante der Geschossplatte orientieren. Der Brüstungskern besteht aus 8 “ starken Hohlraumdämmsteinen, die mit 3-5/8 “ starken Vormauerziegeln verblendet wurden, die auf einem Winkelprofil ruhen und durch einen 2 “ starken Luftraum vom Kern abgesetzt sind. Bedingt durch den regelmäßigen Rücksprung des Gebäudes auf Höhe der Fensterbänke wurden die Mauerkronen der Brüstungen wie eine Attika ausgeführt.

Werden die Innenräume durch diese unterschiedlichen Wellenbewegungen nicht sehr unruhig?
Die unterschiedliche Wellenbewegung zwischen Brüstung und Fensterband ist im Inneren nicht mehr ablesbar. Eine Trockenbaublende aus Gipskarton verdeckt dies. Sie wurde an der stählernen Unterkonstruktion der Fenster angeschlagen. Statt einen komplexen Anschluss an das Mauerwerk zu entwickeln, war es einfacher Profile bis zur Decke zu führen und die Brüstung frei davor stehen zu lassen.

Konnte die Fassade mit herkömmlichen Profilsystemen errichtet werden?
Ja, die durchlaufenden Fensterbänder wurden in einer klassischen Pfosten- Riegel- Bauweise realisiert. Die Verglasung besteht aus leicht grau getönten und mit einem UV- Schutz versehenen Scheiben, die in ihrer Abfolge polygonal angeordnet sind. Die Darstellung des relativ großen Krümmungsradius der Fassade konnte mit herkömmlichen Pfostenprofilen erreicht werden, da der geringe Winkelunterschied gegenüber der Ideallinie über die Fensterdichtung kompensiert werden konnte. Gleichwohl mussten die horizontalen Riegel auf Höhe der Pfosten immer leicht angegehrt werden.

Sie haben das Zurückweichen der Fassade im Gebäude an mit einer Neigung der vordersten Säulenreihe sichtbar gemacht. Ist dies nicht ein immenser konstruktiver Mehraufwand für ein formales Element?
Der Neigungswinkel jeder einzelnen Säule ist tatsächlich unterschiedlich und hängt ab von der Position der entsprechenden Geschossdeckenvorderkante in Relation zu der darunter gelegenen. Auch wenn dadurch wir jede Säule einzeln geplant haben, besteht der statische Vorteil darin, dass die entsprechenden Vertikalkräfte ohne Versatz in der Deckenebene direkt in die ein Geschoss tiefer gelegene Säule eingeleitet werden konnten. Die jeweilige Ausrichtung der Säulen ergab sich von alleine. Ihre Köpfe und ihre Basen mussten lediglich immer denselben Abstand zu den Vorderkanten der anschließenden Geschossdecken haben.

War die Konstruktion der unterschiedlich geschwungenen Deckenkanten eigentlich sehr aufwändig?
Die gesamte Konstruktion ist einfacher als man vermuten mag: Grundsätzlich haben wir für die Schalung der Decken ein einheitliches Schaltafelraster festgelegt, das immer mit der sinusförmigen Vorderkante seinen Abschluss fand. Die Gleichförmigkeit der Bewegung erlaubte es nun, von Geschoss zu Geschoss jeweils eine Rastereinheit der Kurve an der rechten Gebäudeseite wegzunehmen und dieses Element sogleich an der linken Seite wieder anzufügen. Die Verkürzung der Geschosse geschah durch ein gleichmäßiges Abschneiden eines orthogonalen Schalelementes in der anschließenden Tafelreihe.

Ist das Gebäude auch auf seiner Rückseite so dynamisch angelegt?
Nein, die Rückseite des Gebäudes ist eher rechtwinklig klassisch angelegt. Um im Maßstab des umgebenden Bestandes mit seinen alten Lagerhäusern zu bleiben, teilten wir den Bau in zwei eigenständige Baukörper auf, anstatt mit einer großen Masse zu arbeiten. Die Rückseite des Lafayette- Street- Flügels nutzt den lichtgefüllten Innenhof zwischen den beiden Baukörpern und wird akzentuiert durch die überdeckten Balkongalerien an der Nord und Südseite der Obergeschosse.

Wie ist der Bau in seinem Inneren organisiert?
Die Vertikalerschließung wird organisiert durch einen zentralen Versorgungskern. Entsprechend dessen lotrechten Verlauf wird die Grundfläche der straßenseitigen Appartements immer kleiner. Deshalb haben wir die Anzahl der Einheiten nach oben reduziert. Im ersten Obergeschoss haben wir noch Raum für vier großzügige Wohnungen und ganz oben bleibt nur noch Platz für ein – wenn auch sehr großes – Penthouse übrig. Zu dem 10-geschossigen Haupthaus gehört auch noch ein 6-geschossiger Anbau, der sich zur Crosby Street auf der anderen Seite des Blocks orientiert. Beide Gebäudeflügel sind über einen durchgehenden Eingangsbereich miteinander verbunden.

Architekt Richard Gluckman sprach mit Robert Mehl, Aachen
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