Projektart:
Anfrage:
Objekt:
NEW Blauhaus
Typ:
Hochschulgebäude
Ort:
Mönchengladbach-Rheydt [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
kadawittfeld 🔗, Aachen
Materialien:
Photovoltaik-Fassade
Publiziert:
DBZ 09/2015
Seiten:
26 - 33
Inhalt:
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NEW Blauhaus, Mönchengladbach- Rheydt

Kristallin und klimafreundlich

Das NEW Blauhaus in Mönchengladbach fällt durch seine markante Fassade auf, die eine alternierende Mischung aus unterschiedlich geneigten Glasflächen und Photovoltaikelementen ist. Sie weist darauf hin, dass sich im Gebäude ein Kundenzentrumzentrum für nachhaltige Energiesysteme befindet.
Die Idee Akteure zum Thema Energie aus Wirtschaft und Hochschule und auch Existenzgründer unter einem Dach zu bündeln fanden kadawittfeldarchitekten aus Aachen schon bei der Auslobung des Wettbewerbes ungemein reizvoll. Und letztlich gewannen sie diesen auch mit dem Anspruch, für diesen integralen Gedanken eine bauliche Entsprechung zu finden. Hauptnutzer sind die Niederrhein Energie Wasser GmbH (NEW) mit einem Kundenzentrum zu klimafreundlichen Energiesystemen, die Hochschule Niederrhein sowie im 2.OG tatsächlich Büros für Start-up- Unternehmen im nachhaltigen Energiebereich. Die Hochschule bezog mit ihrem Studentensekretariat Teile des Erdgeschosses, in den beiden mittleren Obergeschosse wurden nun Seite an Seite mit den Existenzgründern verschiedene Lehr- und Verwaltungseinheiten untergebracht und in die obersten Volletage sowie das darüber befindlichen Geschoss ist der neue Sitz der Hochschulbibliothek.
Der Energiebetreiber unterhält im Erdgeschoss ein entsprechendes Beratungszentrum, zu dem im Untergeschoss ein Ausstellungsbereich gehört. Entsprechend dem eigenen Bestreben intensiv Werbung für nachhaltige Energien zu machen, wurde der Bau selber natürlich im Passivhausstandard errichtet und sein Betrieb CO2-Neutral.
Von außen erfahrbar ist die Thematik durch ein Schaufenster auf Straßenniveau, dass die kleine Gerätesammlung belichtet. Hierüber wollen die Architekten Passanten für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisieren und zu einem Besuch des Kundenzentrums animieren. Strahler setzen in dem Showroom die klimafreundlichen Geräte effektvoll in Szene: im Zentrum steht das real arbeitende, technische Herz des Hauses, eine Umkehr- Wärmepumpe. Zu Demonstrationszwecken wird sie ergänzt von einer Absorptionskältemaschine und einem Blockheizkraftwerk.
In der Nordwand des schwarz angelegten Raumes sitzt ein druckwasserdichtes Fenster, das den Blick in einen 150 m³ großen Eisspeichertank freigibt, letztlich eine Aquariumperspektive in ein großes Wasserbasin. In ihm sieht man Wärmetauscherschleifen, die im Sommer durch das Wasser gekühlt werden und im Winter diesem seine Wärme entziehen. Dann frieren die Schleifen zunehmend zu und ein wachsender Eispanzer legt sich um sie. Auch wenn das Speichervolumen fast vollständig gefüllt ist, ist seine Wassermenge so bemessen, dass die enorme Eisausdehnung den Raum nicht gefährdet.
Im Grundriss ein Pentagon
Die Wettbewerbsauslobung favorisierte eine Orientierung an der Nachbarbebauung, auch sollte vorzugsweise der Neubau daran anschließen. Dies erschien den Aachener Architekten aber für die Aufgabenstellung als nicht angemessen; das Büro favorisierte vielmehr einen Solitär. In dem sich dadurch ergebenden Freiraum ordneten sie einen Fußweg an, der von der Richard- Wagner- Straße am Neubau vorbei, auf das bestehende Campusgelände führt und der das neue Entrée zur Hochschule bildet. Der Neubau bekommt dadurch eine Torfunktion, indem nun folgerichtig das Studentensekretariat platziert ist.
Natürlich soll sich der Gebäudeeingang einerseits der Straße zu zuwenden, andererseits diesen Weg auch flankieren – eine Überlegung, die zu einer Grundrissdiagonalen auf der Nordostseite führte. Auf der Nordwestseite steht auf dem Grundstück eine denkmalgeschützte Buche, zu der ein Abstand einzuhalten war, was hier ebenfalls eine Diagonale nahelegte. Alle anderen drei Gebäudekanten ergaben sich aus dem Bebauungsplan, was den fünfeckigen Grundriss ergab. Um auch Tageslicht in die Kernbereiche zu leiten, fügten die Architekten ein außermittiges Atrium darin ein, das jedoch erst im Obergeschoss oberhalb des großen Foyers beginnt. Die Kernbereiche in den Obergeschossen bestehen aus der Vertikalerschließung, den obligaten Nebenräumen sowie einem Empfang mit Teeküche und einem Besprechungsraum, der immer eine Glasfront des erwähnten Atriums einnimmt. Das große Foyer im Erdgeschoss versteht sich als offener Bereich, der sowohl durch den Energiebetreiber, wie durch die Hochschule genutzt wird. Mit einer dezenten Glasfront können aber diese beiden Funktionen separiert werden. Vor dieser Lobby springt die Außenfassade des Erdgeschosses zurück, ihre keilförmig ausgestellten geschuppten Elemente weichen einer zurückgesetzten Glasfront und dem Haupteingang. Durch diesen Rücksprung betonen die Architekten diesen und schaffen zugleich einen Windfang für ihn.
Facettenreiche Fassade
Bei der Fassade alternieren geschosshohe Fenster mit opaken Wandflächen, die überwiegend mit Photovoltaikelementen besetzt sind. Nur dort, wo die Sonneneinstrahlung zu gering war, verzichteten die Planer auf diese und setzten dort stattdessen in der Farbigkeit identisch erscheinende, opake Glasflächen ein. Dies geschah an den beiden Nordflanken, auf Höhe der beiden unteren Geschossebenen sowie in den Ecken. Während die Glasflächen sich zum Erdboden neigen, wenden sich die PV- Flächen zum Himmel. Zum einen ist dies dem formalen Ziel geschuldet, den monolithischen Gebäudeeindruck zu steigern, zum anderen ganz praktischen Erwägungen: Einerseits kann so die Effektivität der Solarmodule erhöht, andererseits aber auch die energetische Kraft direkter Sonneneinstrahlung in die Fenster baulich reduziert werden.
Die Ausstellwinkel der geschlossenen Wandfelder variieren nach ihrer Lage am Gebäude. Auf den Nordseiten, die gleichzeitig dessen repräsentative Hauptfassaden darstellen, wollten die Architekten deren Dreidimensionalität betonen und legten hier eine Neigung von 6° fest. Für die Ost- wie die Westfront empfahl sich infolge eines niedrigeren Sonnenstandes eine geringere Neigung, weshalb man sich hier für 4° entscheid. Die Südseite schließlich legten die Architekten vollkommen plan an. Ein Ausstellen der Elemente hätte zu deren gegenseitiger Verschattung geführt und die Energieleistung minimiert. Neben den konstruktiven Argumenten war den Architekten aber auch eine formale Abstufung der Gebäudeseiten wichtig. Denn, wie erwähnt, bewerten sie den Norden als Vorderfront, den Süden hingegen als seine Rückseite, hier befindet sich auch der erforderliche Parkplatz.
Das Achsmaß aller Fassadenelemente basiert auf dem für Bürogebäude optimalen Raster von 1,35 m. Sowohl die Fensterflächen, wie auch die opaken Fassadenelemente besitzen alle eine identische Breite und wurden in der Höhe immer über die Geschossdecken hinausgezogen. Deren untere Kanten sitzen nur getrennt durch eine schmale horizontale Fuge auf den Fassadenelementen des Geschosses darunter. In den Bereichen vor den Deckenabschlüssen wurden sie, wie auch der Hohlraumboden darüber, mit Wärmedämmung und einem davor sitzenden Jalousiekasten verblendet. Innenseitig sitzt ein geschosshohes Komfortfenster, das zu Lüftungs- und Wartungszwecken geöffnet werden kann. Die äußere, geneigte Scheibe fungiert als reine Absturzsicherung ohne eine dämmende Funktion, denn der keilförmige Luftraum zwischen den beiden Glasfronten ist dauerhaft natürlich belüftet. Auch in den geschlossenen Wandflächen befindet sich ein keilförmiger Luftraum. Nach außen findet sich wahlweise das geneigte PV- Element oder eine opake Glasscheibe, auf der Innenseite sitzt in der Ebene der Glasscheibe ein gedämmtes Metallpaneel. Davor platzierten die Architekten jeweils einen Heizkonvektor.
Die alternierende Fassade ist von großem Vorteil für die flexible Anlage der Grundrisse gewesen. So wurden die Büros ringförmig um den Kern entlang der Außenseiten angelegt. Der regelmäßige Wechsel von offenen und geschlossenen Flächen begünstigte dabei die Anlage sowohl von Großraumbüros, von der Bibliothek, wie auch die Schaffung von Einzelbüros, da diese immer mindestens 2 Achsen á 1,35 m benötigen.
Gerüstlose Montage
Auch wenn die Erscheinungsform der Fassade schon in einer frühen Entwurfphase feststand, war lange offen, wie sie am wirtschaftlichsten zu Realisieren war. Es existierten zwei Konzepte: Einmal eine Ausführung als klassische Lochfassade, vor die PV- Elemente gehängt und in die Fenster eingesetzt werden, zum anderen eine Elementfassade, bei der sowohl die Fenster, wie die geschlossenen Bereiche als Ganzes an die Rohdecke gehängt werden. In einem integralen Planungsprozess spielte man in Zusammenarbeit mit der Rache Engineering GmbH die Varianten durch, kalkulierte, verglich und entschied sich schließlich für die zweite Version.
Ausschlaggebend war der Zeitfaktor, da die Elemente im Werk bereits vorproduziert werden konnten, während der Rohbau erst im Bau war. Ferner war eine kontinuierliche Qualitätssicherung sichergestellt, denn letztendlich konzipierte man sowohl für die Fenster, wie die opaken Flächen einheitliche, kastenartige Elemente. Bei den Fensterelementen gehört die innere Glasfront zu dem Bauteil, bei den geschlossenen Flächen auch die inneren Metallpaneelen. Beide Elementarten wurden von demselben Hersteller produziert, der auch die eigens hierfür hergestellten Photovoltaikpaneele in die entsprechenden, keilförmigen Rahmen endmontierte, dessen sichtbare Aluminiumkante bei allen Fassadenbauteilen, egal ob Fenster- oder Solarmodul 36 mm breit ist.
Zwei Sattelschlepper lieferten täglich jeweils 10 Fassadenelemente an, die mit einem Kran direkt an ihre finale Position gehoben und dort eingehängt wurden. Befestigt wurden die Elemente bei der gerüstlosen Montage über Ankerplatten, die die Fassadenbauer vorab auf die Rohdecke montiert und grob ausgerichtet hatten. Final wurden die Elemente dann mittels einer Schraubenkonstruktion justiert.
Keine Schichtung von Geschossen
kadawittfeldarchitektur strebt häufig an, dass seine Bauten nicht als eine Schichtung von Geschossebenen erscheinen. Bei dem NEW Blauhaus erreichten sie diese ins monolithische gehende Auflösung anhand eines unmittelbaren horizontalen Stoßens der Fassadenelemente, ohne das die Geschossdecken als Zäsur in Erscheinung treten. Ein wenig erscheint der Bau so wie geschliffener Diamant, quasi ein reales Schmuckstück klimafreundlicher Architektur.
Robert Mehl, Aachen