Projektart:
Anfrage:
Objekt:
MuCEM
Typ:
Museum
Ort:
Marseille [Satellit]
Staat:
Frankreich
Architekt:
Rudy Ricciotti 🔗, Bandol
Materialien:
UHPC-Betonfertigteile, Glas
Publiziert:
Beton Bauteile-2 2014
Seiten:
17
Inhalt:
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Fragen zur Bautechnik an Tillmann Reichert, Rudy Richiotti Architecte

Die Brücke am Quai

 
Die Fußgängerbrücke zwischen dem MuCEM und dem Fort St. Jean hinsichtlich der zulässigen Bautoleranzen sicherlich eine ganz besondere Herausforderung!
Bei der Brücke war der zulässige Fehler noch geringer anzusetzen, als beim Neubau. Sie besteht aus 25 Fertigteilen, die jeweils 4,5 m lang sind. Deren vertikale Stirnseiten sind aber nicht senkrecht, sondern mit 89,25° etwas flacher, so dass die Elemente, wenn man sie unter Vorspannung zusammenpresst, einen Stich von 0,71 m auf einer Gesamtlänge von 120 m erhalten.
Tatsächlich wurde jedes Fertigteil nach dem Ausschalen von einem Flugzeugbauvermesser nachgemessen, um die Passgenauigkeit sicherzustellen und um sich zu vergewissern, dass die Stöße wirklich plan sind. Denn die kleinste Verschiebung hätte dazu geführt, dass der Bogen unregelmäßig wird, was die Stabilität des gesamten Bauwerks gefährdet hätte.
Haben Sie schadhafte Elemente gehabt?
Mussten Sie gar ein Bauteil neu anfertigen?

Natürlich gab es Ausschuss und fehlerhafte Elemente – etwa durch eine unzureichend sorgfältige Ausschalung. Aber letztlich mussten nur zwei Elementeintensiv nachgearbeitet werden. Dabei kamen hochfeine Techniken zur Anwendung, die man sonst nur aus dem Maschinenbau, also etwa vom Planschleifen einer Zylinderkopfdichtung, her kennt.
Sind die Stöße denn geklebt?
Die Brücke ist vollkommen unbehandelt und hält auch nur aufgrund der Vorspanndrucks zusammen. Die Stöße sind jedoch nicht tragend verklebt, um eine reibungslose Kraftübertragung zwischen den Flächen sicherzustellen. Dabei ging es vor allem darum, dass sich die Bauteile beim Einsetzen der Vorspannung nicht gegeneinander verschieben.
Wie wurde die Brücke in knapp 20 m Höhemontiert?
Unter der Brücke wurde ein Leergerüst erstellt, dessen Oberkante einen Bogen in dem Radius des zukünftigen Stiches beschrieb. Darauf wurden die UHPC- Fertigteile aufgelegt und miteinander verklebt. Dann wurde alles noch einmal genau ausgerichtet und eingemessen. Schließlich wurden die Vorspannkabel – drei unten, zwei oben - eingezogen. Mit Beginn der Vorspannung verhielt sich die Brücke wie ein zusammengepresster Bücherstapel: Unter dem zunehmenden Druck erhoben sich die die Fertigteile von dem Leergerüst und vereinigten sich statisch zu einem starren Balken. Nun konnte das Gerüst darunter einfach demontiert werden.
Das klingt beeindruckend!
Wir hatten auch erwogen, die Brücke mit zwei Autokränen in ihre Position zu heben. Prinzipiell wäre das gegangen, weil sie für Fußgänger dimensioniert und somit relativ leicht ist. Das scheiterte aber an der zu geringen Manöverfläche, denn die Brücke quert ein kleines Hafenbecken zwischen dem Fort St. Jean und dem Neubau.
Die Brücke ist also nicht dafür dimensioniert, dass man darüber etwa mit einem Gabelstapler fahren könnte?
Nein, die Brücke ist eine reine Fußgängerbrücke. Sie würde zwar sicherlich nicht zusammenbrechen, sie ist jedoch nicht für dynamische Lasten ausgelegt. Sie hat eine Nutzlast von 500 kg/m².
Robert Mehl, Aachen