Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Leonardo Showroom
Typ:
Ausstellungsgebäude
Ort:
Bad Driburg [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
3deluxe 🔗, Wiesbaden
Materialien:
Beton, Trockenbau, Glas
Publiziert:
DBZ 08/2007
Seiten:
94 - 99
Inhalt:
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Showroom in Bad Driburg

Miró und die Fuge

Ein Hersteller von edlen Trinkgefäßen und Glasaccessoires wünschte sich für sein neues Präsentationszentrum eine loungeartige Club- Atmosphäre. Seine Kunden sollen einen wohnlichen Kontext vorfinden, dem jedoch ein ordentliches Maß an Exklusivität und Extravaganz innewohnt.
Die Fassade des gläsernen Kubus scheint wie Wachs in der Sonne zu schmelzen. In zähen Schlieren fließt sie von dem kristallenen Körper herunter und sucht sich mäandernd in dem grünen Gras ihre grauen Bahnen, hinab von der kleinen Hügelspitze, auf welcher der exponierte Körper ruht. Beim Nähertreten entpuppt sich die Erhebung als Sockelgeschoss, das einerseits diskret das umfangreiche Raumprogramm mit aufnimmt und andererseits, gewissermaßen in der Funktion eines Präsentiertellers, den eigentlichen Ausstellungsbereich zu einem quadratischen Solitär erhebt.
Auch wenn im Inneren des Pavillons auf eine räumliche Abtrennung mittels Türen weitgehend verzichtet wurde, so teilt sich der Bau in zwei atmosphärische Zonen: Ein lobbyartiger Umgang entlang der umlaufenden Glasfassade und ein zweigeschossiger, amorph geformter Showroom im Zentrum. Während sein Basislevel im Untergeschoss angeordnet ist, erreicht man vom Eingang aus eine emporenartige Brücke, die sich quer durch das 9 m hohe Volumen spannt. Der Besucher hat hier die Wahl über eine großzügige Treppenanlage hinabzusteigen oder über eine andere kurze Stufenfolge hinauf zu einem intimeren Loungebereich zu gelangen.
Die Deckenuntersicht des Zentralraums erinnert entfernt an ein Werk von Joan Miró: Expressiv geschwungene Fugen durchschneiden die Fläche und verdichten die ansonsten wahllos verteilt erscheinenden Downlights zu Gruppen. Um das handelsübliche Orthogonalraster einer abgehängten Decke zu umgehen, entschloss man sich, die notwendigen Dehnungsfugen in einer geschwungenen Form zu realisieren. Mit der Inszenierung derselben ergab sich jedoch auch die Option, diese deutlich ins Wahrnehmbare zu verbreitern. Bei einer Breite von 3 cm war es möglich, über diese durchgehende Öffnung die Raumbelüftung sicherzustellen und auf die unschönen Luftauslassöffnungen in der Decke zu verzichten. Oberhalb des Spaltes verläuft eine im Querschnitt 20 cm x 20 cm messende Gipskofferkonstruktion, an der seitlich die Zuluftschläuche angeschlossen worden sind. Die Frischluft wird in den Kanal eingeblasen, verlangsamt sich dort und tritt weitgehend zugfrei und gleichmäßig über den Spalt aus. Die gesamte Konstruktion wurde komplett als Fertigteil von dem Deckenhersteller vorproduziert und an die Baustelle geliefert. Die Entlüftung des Raumes erfolgt über die umlaufende Randfuge. Diese misst ebenfalls 3 cm Breite. Im Gegensatz zu den Zuluftöffnungen wurde die Randfuge jedoch nicht vorproduziert, sondern vor Ort mit einer Oberfräse auf Maß geschnitten. Die Aufnahme der Abluft erfolgt über Schläuche, die lose auf der Decke aufliegen. Alle Ventile und Steuerungseinheiten der Lüftungsanlage befinden sich in zwei seitlichen Versorgungsschächten. Oberhalb der Deckenkonstruktionen gibt es keinerlei Unterverteilung, die Revisionsöffnungen nötig gemacht hätten.
Die horizontal gekrümmten Innenwände wurden in Ortbeton ausgeführt und anschließend mit einer Trockenbaukonstruktion verblendet. Um die gewünschten Wandradien zu erreichen, wurden die Oberflächen aus 6 mm starken Gipskartonplatten in doppelter Beplankung erstellt. Eine Besonderheit ist ein spezielles Gewebe, das aufgezogen wurde, um Haarrisse an den Stoßfugen zwischen den einzelnen Tafeln zu vermeiden, da diese durchweg unter Spannung stehen. Die Wände wurden hinterher in einem Sprühverfahren lackiert, das zu einer haptisch bemerkenswerten, gleichmäßig matten Oberfläche führte. Auf dem Boden wurde ein heller Teppich verlegt. Der weiche Belag soll sowohl einem sterilen Futurelook entgegen wirken als auch die Raumakustik verbessern. Zweifellos bestimmt von Außen die in faszinierender Weise bedruckte Glasfassade den Bau. Das architektonische Kleinod wird jedoch vollends zu einer gläsernen Schatztruhe, wenn man sich den konstruktiven Ideenreichtum in seinem Inneren betrachtet.
Robert Mehl, Aachen