Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Legal-Illegal
Typ:
Wohnhaus / Baulückenschließung
Ort:
Köln [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Manuel Herz 🔗, Basel
Materialien:
Beton
Publiziert:
DBZ 05/2004
Seiten:
36 - 39
Inhalt:
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Schließung einer Baulücke in Köln

Druck gemacht

In Köln- Bayenthal wurde die ehemalige Torzufahrt zu einem gründerzeitlichen Wirtschaftshof geschlossen. Vordergründig eine normale Baulückenbebauung revitalisiert das Projekt ein jahrzehntelang als unbebaubar geltendes Brachgrundstück.
Wie ein großer Ballon klemmt der signalrote Körper in seiner Baulücke. Der zur Verfügung stehende Platz scheint zu klein für den Druck in seinem Inneren: Alle Baufluchten missachtend, quillt die pralle Masse über seinen definierten Raum hinaus. Die Kompression, die Manuel Herz hier inszeniert, trägt nicht nur dem engen Raumprogramm Rechnung, sie resultiert auch aus der bewussten Entscheidung, für dieses schmucklose Kölner Quartier hochwertige Architektur zu entwickeln. Der städtebauliche Glücksfall ergab sich aus dem Umstand, dass der eher konservative Bauträger nur durch die Verwirklichung eines ambitionierten Entwurfes eine Vermarktungschance für den Bau sah: Das Grundstück ist nach Osten orientiert und liegt vis-a-vis eines zehngeschossigen Verwaltungsbaues.

Der Ort

Das Areal diente zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts als Wirtschaftshof mit dem Tor als Zufahrt Ehemals über einen Hinterhof mit dem dazugehörigen Kontorgebäude verbunden, umschloss das Grundstück einst den benachbarten Jugendstilbau. Heute ist das Ensemble denkmalgeschützt. Eine nicht stilgerechte Überbauung des Torbogens ist durch seinen historischen Wert eigentlich nicht zulässig. Der Umstand, dass immerhin der gesetzliche Mindestabstand von 1 m zu der alten Substanz eingehalten wurde, beruhigte die Behörden jedoch soweit, dass sie ihre Bedenken am Ende fallen ließen.

Das Gesetz

In den 70er Jahren sah sich Köln mit einer starken Stadtflucht konfrontiert. Um dem damit verbundenen Steuerverlust Herr zu werden, beschloss der Rat, ein ruhiges, grünes Vorstadtidyll innerhalb seiner fiskalischen Reichweite zu schaffen: In Bayenthal sollten deshalb die Straßen zurückgebaut und um eine Vorgartenzone erweitert werden. Die zulässige Bauhöhe wurde auf 7 m beschränkt. Leider wurde der reichlich vorhandene urbane Altbaubestand im Kölner Süden übersehen. Die Schließung einer Baulücke unter Beibehaltung der vorgegebenen Häuserfluchten ist dadurch untersagt.

Die Antwort

Manuel Herz formulierte aus den restriktiven Auflagen sein Entwurfsthema: Er taufte sein Projekt „Legal- Illegal“ und gliederte es in ein „erlaubtes“ und in ein „verbotenes“ Bauteil. Die unteren beiden Geschosse bilden einen zurückhaltenden Glasquader, der streng den geltenden Bebauungsplan und die Auflagen des Denkmalschutzes befolgt. Bekrönt wird dieser von einem amorphen, signalroten Volumen, das sich den geltenden Vorgaben störrisch widersetzt. In dem Gebäude wurden zwei Wohnungen und ein Büro untergebracht. Die Kubatur geschickt nutzend, erstrecken sich alle Einheiten über mindestens zwei Etagen. Das Büro verfügt über ein Archiv im Keller, die Wohnung im ersten Obergeschoss über eine verglaste Empore im 2. OG. Der Torbogen dient als Sichtschutz. Von hier nimmt auch der gut 7 m hohe, felsspaltartige Luftraum seinen Ausgang, der zwischen dem roten Gebilde und der linken Brandwand klafft. Die letzte Einheit erstreckt sich über die obersten drei Geschosse und füllt vollständig das Volumen des bizarren Bauteils aus. Die Ebenen sind jeweils mit einem Geländer gesichert und enden offen, etwa einen Meter vor der polygonalen Außenhaut. Deren gehäuseartiger Charakter wird durch den respektvollen Abstand auch von innen sehr augenfällig. Ausgeführt in reiner Ortbetonkonstruktion mit klassischer Holzschalung, kommt der rote Panzer ohne Anschlussdetails aus: Dach und Wände wurden mit Hartschaumplatten isoliert und anschließend komplett und fugenlos mit Polyurethan überzogen. Dieses bildet die wasserführende Schicht. Um einer vorzeitigen Alterung des Kunststoffes vorzubeugen, erhielt dieser einen UV- Schutz- Anstrich.

Die Pointe

Der Bau wurde von den zuständigen Behörden mit 18-monatiger Verzögerung ohne weitere Auflagen genehmigt. Dem Planer ging es jedoch um mehr, als bloß seine architektonischen Vorstellungen zu realisieren. Mit seiner Gliederung in einen legalen und einen illegalen Bauteil will das Objekt plakativ auf einen Missstand im geltenden Planungsrecht hinweisen. Dass der Bau eine Änderung bewirkt, wäre wünschenswert. Der notwendige Druck ist dazu gegeben.
Robert Mehl, Aachen