Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Katschhof / Bauhaus Europa
Typ:
Historischer Platz
Ort:
Aachen [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
W. Tschapeller 🔗 (Bauhaus Europa)
Materialien:
Dokumentation Katschhofstreit
Publiziert:
DBZ 02/2007
Seiten:
10
Inhalt:
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Volksabstimmung gegen die Bilbaoisierung einer Kaiserstadt

Kein Bauhaus für Europa

 
Aachen hat einen karolingischen Dom und ein gotisches Rathaus. Obwohl in Teilen Weltkulturerbe, garantieren diese Bauten allein aus Sicht der Stadtverwaltung nicht einen dauer- wie massenhaften Zustrom an Touristen. Angetan von der merkantilen Wirkung exzentrischer Bauten an anderen Orten, wünschte man sich zusätzlich eine Inkunabel der zeitgenössischen Architektur, die noch mehr Touristen in die Stadt locken sollte. Es traf sich gut, dass dem trinationalen Landstrich um die Grenzstadt für das Jahr 2008 die so genannte Euregionale zugesprochen wurde, ein prestigeträchtiger Status, an den umfangreiche Fördermittel geknüpft sind. Zudem stand gerade ein kommunaler Verwaltungsbau aus den 1960er Jahren zur Sanierung an, den man kurzerhand für obsolet erklären konnte.
Dessen verlockender Standort entwickelte sich allerdings zunehmend zu einem Problem: Er befindet sich am Katschhof, einem intimen, rechteckigen Platz, der zusammen mit den eingangs erwähnten Bauten die ehemalige Kaiserpfalz und damit den Nukleus der heutigen Stadt bildet.
Mit einem amorph geformten Solitär konnte der Wiener Wolfgang Tschapeller den internationalen Architekturwettbewerb für sich entscheiden. Gefüllt werden sollte er mit einem Europamuseum, dessen Arbeitstitel "Bauhaus Europa" lautete. Schon die erste Präsentation des Entwurfes führte zu Unmut und Unverständnis beim Volk: Kaum einem erschloss sich die Entwurfsidee, die im Wesentlichen aus einer überdimensionalen, wild verformten Landkarte Europas bestand, die in einer seltsam bewegten Glasarchitektur aufgebahrt werden sollte. Während der Stadtrat mit großer Mehrheit den Bau des Gebäudes beschloss, formierte sich dagegen Widerstand an der Basis: Eine Bürgerinitiative erzwang mit einer Unterschriftenaktion eine Volksbefragung, die für die Verwaltung katastrophal endete: Bei einer Wahlbeteiligung von rund 38 % stimmten 58 000 Bürger gegen die Realisierung und nur rund
12 000 bejahten sie.
Gescheitert ist das Projekt wohl an der Widersprüchlichkeit der Politik: Aufgrund leerer Kassen reduzierte die Stadt jahrelang ihr soziales Engagement. Plötzlich war aber Geld für ein Prestigeobjekt da. Zudem negierte die Verwaltung ihre eigenen Leitsätze zur Bebauung des historischen Katschhofareals, die aus einem aufwändigen städtebaulichen Gutachten resultierten und über 50 Jahre Bestand hatten: Mit dem Bauhaus- Europa- Wettbewerb durfte plötzlich ein zusätzlicher Solitär das Pfalzensemble stören.
Die Chance nun zu diskutieren, was für den Ort wirklich angemessen ist, wurde durch einen indignierten OB unmittelbar nach der Abstimmung vertan: Am nächsten Tag erteile er den Auftrag zur Sanierung des Bestandes. Schade eigentlich, denn die Idee eines Europamuseums wird im Grunde allgemein begrüßt, und auch der Erhalt des Verwaltungsbaus war für die Projekt- Gegner nie von großer Relevanz.
Robert Mehl, Aachen