Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Museum
Ort:
Lübeck [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Andreas Heller 🔗, Hamburg
Materialien:
Sichtmauerwerk, Altbausanierung
Publiziert:
BHW 12/2017
Seiten:
16 - 20
Inhalt:
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Sanierung des Lübecker Burgklosters

Mörtelkompresse

Das Lübecker Burgkloster stellt die Keimzelle der Hansestadt dar und ist heute Teil des neu geschaffene Hansemuseums. Dazu wurde insbesondere das Erdgeschoss des Baudenkmals umfassend restauriert. Dabei ging man neue Wege bei der Instandsetzung der dortigen, mittelalterlichen Schmuckfußböden.
Das Lübecker Burgkloster entstand aus einer landesherrlichen Burg, die vermutlich 1143 errichtet und 1229 dem Dominikanerorden übergeben wurde, die es Maria- Magdalena weihten. Nach dem Stadtbrand von 1276 entstand ein Neubau in klostertypischer Anordnung. Während etwa der Kapitalsaal, der Kreuzgang oder die Refektorien noch heute bestehen, wurde die gotische Kirche 1818 wegen Baufälligkeit abgerissen. An ihrer Stelle errichtete man im 19. Jhd. eine kleine, freistehende Schule, die noch heute von einem Hof umgeben ist. Die verbliebenen Klosterbauten wurden neugotisch überformt, das Obergeschoss der Klausur zu einem Gerichtsgebäude umgebaut, das bis 1962 in Nutzung war. Andere Teile des Ensembles dienten vor dem Zweiten Weltkrieg sogar als Gefängnis. Anfang der 1980er Jahre wurde das ehemalige Kloster zu einem Kulturforum umgebaut. Dazu erhielt es angrenzend an den Schulhof ein postmodernen Vorbau und im Erdgeschoss eine Fußbodenheizung (weil man ohne unschöne Heizkörper arbeiten wollte), die jedoch nur nutzungsbedingt und mit einer Nachtabsenkung arbeitend bis 2011 betreiben wurde. Letztendlich waren die damit verbundenen, häufigen Temperatur und Luftfeuchtewechsel verantwortlich für die massiven Bauschäden, die insbesondere den wertvollen, mittelalterlichen Schmuckfußboden schwer schädigten. Statisch relevante Bauschäden gab es am historischen Burgkloster hingegen keine.
Orientierung
Heute ist das Burgkloster Teil des im vergangenen Jahr eröffneten Europäischen Hansemuseums, dessen Neubauteil und museales Konzept von dem Hamburger Architekten Andreas Heller entwickelt wurde. Den Neubauteil kann man als Substruktion des Hügels lesen, der von dem Altbauteil bekrönt wird und diesen entlang einer Ausfallstraße abfängt. Ihm wich ein obsoleter Weltkriegsbunker am Nordende der seit 1987 als Weltkulturerbe geschützten Altstadt, dem ersten Flächendenkmal Deutschlands. Der Alt- und Neubauteil ist nicht intern miteinander verbunden, Besucher müssen zunächst die markante Freitreppe aufsteigen. Dann gelangen sie über den ehemaligen Gefängnishof zum zweigeschossig museal genutzten Altbauteil, den sie über ein zum Haupteingang aufgewertetes, neugotisches Nebentreppenhaus betreten.
Der Bau als Exponat
Museales Konzept des Architekten und Ausstellungsmacher Andreas Heller war es das instandgesetzte Erdgeschoss des Burgkloster als Exponat zu inszenieren und es nicht mit eingestellten Mobiliar zu bespielen. Die gotischen Räumen stehen für sich allein mit ihren verstrebten Gewölben, den kapitellartigen, mittelalterlichen Stuckkonsolen und den restaurierten Wandmalereien. Höhepunkte sind zwei Schmuckfußböden, die aus tönernen Mosaiksteinen zusammengesetzt sind. Sie sind so fragil, dass sie nicht betreten werden dürfen: Der des ehemaligen Hospitals kann von einem eingestellten Steg aus, der Sakristeifußboden dagegen nur durch eine Glasfront hindurch bewundert werden. Die Entwicklung des restauratorischen Konzeptes der Räume und dieser Böden oblag Elke Kuhnert, Landesrestauratorin von Mecklenburg- Vorpommern und seit vielen Jahren auch in Lübeck tätig.
Kein Stein ausgetauscht
Nach Abnahme der zerstörten Oberflächen der Schmuckfußböden stellte Kuhnert fest, dass die unteren Bereiche der Mosaikseine noch vollständig vorhanden waren. Ein Ergänzen von Fehlstellen, wie der in den 1980er Jahren großflächig aufgetragene Zementestrich nahe legte, war gar nicht erforderlich. Vielmehr musste nunmehr eine Lösung gefunden werden, die auf die Hälfte ihrer Höhe verwitterten Mosaikplättchen neu, aber reversibel aufzubauen.
Grundsätzlich bestehen die Ton- Steinchen aus drei Farben; Schwarz, rot und weiß. Die Schwarzen Steine könnte man als bewusste Fehlbrände bezeichnen, es waren die härtesten und mit am besten erhaltenen Mosaiksteine. Die Roten sind quasi reguläre Ziegelbrände, die Weißen, haben eine kaolinartige Zusammensetzung, die Richtung Porzellan geht; sie wiesen die größten Beschädigungen auf. Die Bodeneinlagen bestehen nicht aus einzelnen Steinen, sondern aus farbigen Steinstreifen, die von den mittelalterlichen Handwerkern eingelassen wurden. Diese waren teilweise L-förmig abgeknickt und besaßen Scheinfugen, die mit Mörtel zur Zierde ausgefüllt wurden. Auch damals machte man es sich ab und an einfach.
Swingerclub der Salze
Der eigentlichen Instandsetzung ging eine wissenschaftliche Untersuchung am Materialprüfungsamt in Bremen vorweg. Dr. Frank Schluetter, spezialisiert auf Ziegel, Terrakotten, Keramik, Putze führte umfassende Feuchtebestimmungen durch und ermittelte insbesondere die Kristallisationskurven der materialschädigenden Salze.
"Salze sind nicht Salze!" fasst Elke Kuhnert die Ergebnisse zusammen. "Es gibt eine Art Lübecker Cocktail aus stark hygroskopischen, also feuchtigkeitsbindenden Salzen. Diese gehen schon bei geringen Temperatur und Feuchteschwankungen ganz unterschiedliche Bindungen ein.
Hierzu bemüht die Restauratorin augenzwinkernd das Bild eines kleinen Swinger- Clubs:
"In dem Moment wo das Klima nicht mehr so optimal passt, wechsele ich den Partner. Anionen und Kationen verbinden sich so anderen Salzen. Aus Natriumchlorid (Kochsalz) und Kaliumnitrat wird etwa Natriumnitrat und Kaliumchlorid."
Es ist ein explosiver Cocktail, weil die Salze verschiedene Eigenschaften haben und bei anderen Temperaturen und Feuchtigkeiten in Lösung gehen oder kristallisieren. Ziel muss es sein, die Migration unterbinden, da insbesondere mit der Kristallisation eine enorme und zerstörerische Volumenausdehnung einhergeht. Die Schwierigkeit ist, einen Korridor zu bestimmen, in dem es nicht zu trocken (Kristallisation) und auch nicht zu feucht (Ionenmigration) ist. Für die meisten, auch zgänglichenRäume, legte sie einen Bereich von 55% bis 62% Luftfeuchtigkeit fest.
Durchlässiges Pflaster
Kuhnert hat einen Weg gefunden, über Kieselsäureesterkombinationen den strukturellen Endfestigungen der Mosaikplättchen zu begegnen. Gesteinsmehl waren natürlich Substanzverluste, die entfernt wurden. Um die rudimentären Mosaikplättchen wieder auf ihre ursprüngliche Höhe aufzubauen, wählte sie einen Ergänzungsmörtel, den sie aus konfektionierten Produkten in aufwändigen Vergleichstests ermittelte, die allein mit 22.000,- Euro zu Buche schlugen. Der zementfreie Steinergänzungsmörtel Mineros 2000 PZF der Firma Krusemark ging daraus als das geeignete Material hervor. Es sollte ein Ergänzungsmörtel sein, der in seiner Beschaffenheit weitgehend dem Original entsprach, jedoch angetragen werden kann, was einen Seinaustausch überflüssig macht; jede noch vorhandene Originalsubstanz sollte gehalten werden. Gleichzeitig sollte der neue Mörtel als Puffer wirken, die Salze schwammartig aufzunehmen und so die originalen Mosaikplättchen entlasten. Die Funktion sollte einem durchlässigen Pflaster nahe kommen, dass bei einer salzbedingten, farblichen Oberflächenveränderung, ohne Schädigung des Originalbestandes ausgetauscht werden kann.
In einer einjährigen Testphase wurde die Funktion dieses "Opfermörtels" nachgewiesen. Die Schmuckfußböden werden nun regelmäßig begutachtet und tatsächlich gibt es jetzt schon die ersten Teilflächen, die sich infolge einer Salzwanderung leicht verfärbt haben.
Da die Mosaiksockel die ursprüngliche Farbfassung der durchgefärbten Steine zweifelsfrei belegten, bot es sich an, auch den Ergänzungsmörtel mit Naturpigmenten entsprechend einzufärben. Um eine präzise Reproduktion der vorgegebenen Mörtelmixturen zu gewährleisten, schaffte Elke Kuhnert für die ausführenden Restauratoren tatsächlich mehrere Goldwaagen an. Die Farbfassung wurde so eingestellt, dass die Ergänzungen mit einem geübten Auge ablesbar sind, als methodische Abgrenzung, jedoch oberflächlich alles als homogene Einheit erscheint.
Die ausführende Restauratoren trugen nach ihrer Vorgabe den Ergänzungsmörtel an, bauten ihn auf, schliffen ihn an und zogen ihn nur ab. Eine mechanische Politur fand nicht statt. Damit das neue Material exakt eingebracht werden konnte, hatte Kuhnert zudem kleine Schablonen analog zu den vorhandenen Mosaikplättchen gebastelt. Weniger stark zerstört als die eigentlichen Mosaiksteine war der mittelalterliche Fugenmörtel, der wie erhabene Mauerreste die durchweg niedrigeren Steinreste überragte. Die wiederhergestellten Mosaiksteine wurden mit dispergiertem Weißkalkhydrat (CalXnova) neu verfugt. Sollte einmal der Opfermörtel auszutauschen sein, ist dessen rückstandsfreie Revision leicht, da das Material erheblich weicher als die Originalsubstanz darunter ist. Auch wurde belegt, dass keine Verluste von diesem zu Erwarten sind.
Zusammen mit der Restauration war das Entwickeln eines klimatischen Konzeptes unerlässlich. Dabei sollten die klimatischen Schwankungen gering gehalten werden und insbesondere von einer Nachabsenkung abgesehen werden, um die Migration der Salze im Vorfeld zu unterbinden. Die technischen Anlagen sind zuerst eingebaut worden, bevor mit der Restaurierung begonnen wurde.
Baukosten und Fazit
Das Restaurationsbudget des Burgklosters betrug 3,5 Mio Euro. Mit rund 2,4 Mio Euro blieben die tatsächlichen Kosten rund 800.000 Euro unter der Schätzung. Diesen Betrag trat die Restauratorin an den Architekten Andreas Heller ab, ganz allgemein für bauliche Maßnahmen am Hansemuseum.
Kunert ist stolz darauf, dass trotz des hohen wissenschaftlichen Anspruchs die Kosten nicht überschritten wurden. Einerseits hatten sie sehr günstige Ausschreibungsergebnisse, andererseits ist sie sicher, dass auch die akribische Vorbereitung sich kostensparend auswirkten.Teure Nachträge gab es hier nicht!
Robert Mehl, Aachen