Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Pyramide
Ort:
Gizeh [Satellit]
Staat:
Ägypten
Architekt:
Materialien:
höhennivellierte Natursteine
Publiziert:
Baublatt 09/2020
Seiten:
41 - 45
Inhalt:
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Weiteres Buch zum Bau der Cheops Pyramide

Der Weg auf die Spitze

Im baublatt 05/2019 besprachen wir bereits ein Buch zur Baukonstruktion der Cheops- Pyramide. Heute stellen wir mit dem Band von Günter Fischer ein weiteres vor. Dieses stützt mit umfangreichen Berechnungen die Theorie eines umlaufendem Saumpfades als Materialrampe.
Anders als Bernhard Kerres in seinem 296-seitigen Opus "In der Mitte der Pyramide" schickt Günter Fischer in seinem 72-seitigen Band seinen Überlegungen keine umfangreiche Einführung in die altägyptische Baugeschichte vorneweg. Vielmehr setzt er beim Leser eine gewisse Grundkenntnis der Thematik voraus und steigt unmittelbar ein in pragmatische Überlegungen der Machbarkeit.
Hierbei bezieht er sich insbesondere auf baugeschichtliche Experimente, bei denen versucht wurde, Kalksteinquader verschiedener Größen mit Menschenkraft auf Schlitten und auf Rundhölzern zu bewegen. Hier kommt er zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die von romantischen Vorstellungen der Historiker oft verbrämten Theorien bei einer Verifizierung in mathematischer, logistischer oder mechanischer Hinsicht durchweg versagen. Kernargument ist dabei vor allem die unfassbare kurze Bauzeit, die Historiker durchweg mit nur 25 Jahren ansetzen.
In dem ausgesprochen wissenschaftlich angelegten Werk des Diplom- Mathematikers und promovierten Dr.-Ing., der heute an der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) in Köln tätig ist, wird rechnerisch Nachweis erbracht, dass der Pyramidenbau über einen Saumpfad erfolgte. Dessen Breite definiert er mit 3b, wobei er b als die durchschnittliche Steinbreite festlegt. Ferner geht er davon aus, dass, dass diese Materialrampe sich spiralförmig, wie ein Schneckenhaus um die Pyramide nach oben wand.
Charakteristika des Saumpfades
Günter Fischer gibt sich überzeugt, das bei einer Neigung von knapp 21° das erforderliche Steinmaterial hinreichend zügig nach oben transportiert werden konnte. Auch die übergroßen Steinformate der Grabkammern wären damit logistisch zu bewältigen gewesen. Zudem war darauf der Einsatz von Zugtieren möglich. Ddie von ihm vorgeschlagene Wegbreite besaß sogar eine seitliche Absturzsicherung, durch dort temporär abgelegte Steinquader.
Grundsätzlich ist der Buchautor ein Anhänger der Eimerkettenmethode. Hier bezieht er sich auf die vorindustrielle Löschmethode mit Wassereimern. Wasser lässt sich schneller zu einem Brandherd bringen, als wenn einzelne den vollständigen Weg vom Brunnen zum Feuer überwinden müssen. So ermüden sie weniger schnell, das nur das Eimergewicht und nicht der Körper zu bewegen ist.
Entsprecht stellt er die These auf, dass ein Zuggespann einen Steine jeweils nur von einem Rampenabschnitt zum nächsten bewegt hat und dort denselben an das nächste Team übergab. Für diese Theorie spricht die konstruktive Pyramidengeometrie, die aus exakt 200 Steinlage besteht. Sobald der Saumpfad die nächst höhere Ebene erreicht, ergibt sich automatisch ein für die Steinübergage geeigneter, horizontaler Wegabschnitt. Dies geschieht wiederholt auf jeder Pyramidenflanke, insbesondere im unteren Drittel, das allein 2/3 des erforderlichen Baumaterials aufnimmt. Infolge der pyramidalen Zuspitzung reduziert sich die Podestanzahl pro Flanke jedoch deutlich, bis allein die Eckpunkte verbleiben. Mit Hilfe dieser definierten Steinübergabepunkte, so Günter Fischer, lassen sich auch gegenläufige Verkehrsbewegungen vermeiden. Unbeladene Gespanne in Abwärtsrichtung müssen keine aufwärts unter Last aufwärts ziehenden passieren. Ein weiteren Vorteil dieses Procedere sieht er in der gleichförmigen Besetzung der Baustelle am Morgen und deren Verlassen am Abend.
Umlenkhölzer in den Wegecken
Wie auch bei allen anderen Autoren steckt der Teufel im Detail und auch Günter Fischer versteigt sich in abenteuerliche Detailtheorien. Sein Schwachpunkt ist die Überwindung der Saumpfadecke, wenn die Rampe von einer Pyramidenflanke auf die folgende wechselt. Hier schlägt er großformatige Rundhölzer (vulgo: Baumstämme) vor, die in entsprechenden Vertikalbohrungen in der Standfläche, letztlich in der Steinebene darunter, stecken. Diese fungieren als Umlenkrollen. Ein Seil wird um diese gelegt und das Zuggespann zieht in einer Abwärtsbewegung den Stein hinauf in diese Eckposition.
Ungeklärt bleibt dabei die Frage nach den Reibungskräften, die beim Umlaufen des Rundholzes auf das Seil einwirken und dieses in kurzer Zeit zu dessen Riss führten. Ungeklärt bleibt auch das Querkraftmoment das am Fußpunkt des im statisch im Boden eingespannten Rundholzes entsteht und das schnell zu einem Abbrechen desselben oberhalb des Steinköchers führt.
Ferner zu bedenken wäre ein Vergleich des zu bewegenden Steingewichtes mit der Masse des Steines, in dem per Steinköcher der hölzerne Umlenkpfosten gehalten wird. Er müsste tendenziell schwerer als der zu bewegende sein und dazu sehr gut verankert, da ansonsten dieser durch die Zugbewegung verschoben werden könnte.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass man gerade an den Pyramidengraten solche Vertikalbohrungen heutzutage leicht finden müsste. Sie sollten, bedingt durch ihre Eckposition in den terrassierten Steinlagen mehr oder weniger freiliegen.
Serpentine zur Pyramidenspitze
Im Bereich der Pyramidenspitze weicht Fischer jedoch von dieser Figur ab und postuliert, dass die 22 obersten Ebenen mit Hilfe eines Serpentinenpfades angelegt wurden, welche nur auf einer Flanke, nämlich der südwestlichen nach oben verlief. Als Indiz hierfür zieht er eine, im Buch leider nur graphisch dargestellte Isometrie der obersten vier Cheops- Pyramiden- Ebenen von Vito Maragioglio und Celeste Rinaldi heran, die die diese Flächen nicht als Quadrate, sondern als Rechtecke ansprechen. Eine spontane Google- Bildsuche mit den Stichworten "Cheops Pyramide Spitze" weist dieses jedoch als falsch aus. Der heutige Abschluss der Spitze besteht aus einer weitgehend ebenen Steinlage aus etwa 10 x 10 Steinquadern - gut 100 Steinen. Zur südöstlichen Pyramidenkante hin finden sich darauf liegend Reste zweier weiterer Steinlagen, die von Forschern vielfach als Überreste einer Pyramidion- Fassung interpretiert werden. Denn nach gängiger Überlieferung gilt, dass die Cheops- Pyramide von einem solchen bekrönt wurde. Dieses Pyramidion soll auf seiner Außenseite mit Metall beschlagen und in seinem Innern aus kleineren, ziegelartigen Steinen bestanden haben.
Umfangreiche Berechnungen
Seinem mathematischen Hintergrund entsprechend, hat sich Fischer allein weitgehend auf eine theoretische Herleitung konzentriert und diese in zahlreichen Berechnungen überzeugend untermauert. Seine Theorie stützende, archäologische Befunde bleibt er - genauso wie die meisten anderen Cheops- Forscher - aber weitgehend schuldig. Tatsächlich legen aber seine fundamentalen Überlegungen hinsichtlich Logistik und den Möglichkeiten archaischer Möglichkeiten die Erkenntnis nahe, dass selbst mit einfachsten Mitteln scheinbar übermenschliches realisierbar ist. Die nüchterne Erkenntnis seines schmalen Werkes ist, dass mit einer maximalen Ratio, wundersame Hilfsmittel oder außergewöhnliche Techniken, die man hier vielfach noch zu entdecken hofft, einfach nicht erforderlich waren. Damit wird er Recht haben.
Modellvergleiche
Zur weiterführenden vertiefenden Lektüre sei die Webseite www.cheops-pyramide.ch von Franz Löhner, einem weiteren Cheops- Pyramiden- Autor empfohlen. Auf dieser diskutiert dieser übersichtlich die zahlreichen Konstruktionsmodelle und favorisiert schließlich seine eigene Konstruktionsweise. Bei dieser werden die Steine mittels Schrägaufzügen, die unmittelbar auf den Pyramidenflanken und damite in deren Neigung verlaufen, von Menschenhand an nach oben gezogen. Dazu bedient er sich den beim Pyramidenbau offenbar nicht wegzudenkenden Rundhölzern, die in diesem Fall in einer schienenartigen Unterkonstruktion aus Holz verliefen. Das Zugseil lief durch hölzerne Seilrollenböcke, die kupferne Gleitlager aufwiesen und die als Umlenkrollen fungierend, hinter Firststeinen verkeilt waren. Die ziehenden Arbeiter bewegten sich folglich steil pyramidenabwärts beim Hinaufziehen eines Steines.
Hier gibt der Autor dieser Zeilen zu bedenken, dass einerseits sich die Arbeiter auf einer 60° geneigten Fläche schwer arbeitend hätten bewegen müssen. Sie wären nur gesichert gewesen durch das Seil an dem sie zogen. Bei den zu bewegenden tonnenschweren Lasten wären Seilrisse und daraus resultierend in die Tiefe stürzenden Menschenmassen an der Tagesordnung gewesen. So ein Prinzip, hätte bei aller Allmacht eines Pharaos nicht über 25 Jahre aufrecht erhalten werden können. Die personellen Verluste wären - auch für ein menschenverachtendes Regime - einfach zu groß und damit einhergehende Arbeiteraufstände einfach unausweichlich gewesen: Der Bau wäre so nie vollendet worden! Dazu auf den Pyramidenflanken die entsprechenden Weg- und Zugflächen weitgehend geglättet sein müssen.
Alles in allem bleibt festzustellen, dass die Pyramiden von Gizeh zu Recht den Titel Weltwunder tragen. Keine anderen Bauwerke auf diesem Planeten existieren in deren Erhaltungsgrad seit mehr als 4000 Jahren. Und kein anderer Bau wirft in diesem Maße die Frage nach seiner Bauweise auf - und lässt diese weiterhin unbeantwortet.

Günter Fischer
Der Bau der Cheops- Pyramide
72 Seiten Taschenbuch, DIN A 4
ISBN: 978-3-9463680-7-6 (deutsch)
Euro 24,00
2019, Mons Verlag e.K, Dresden

Robert Mehl, Aachen
https://www.baublatt.ch