Projektart:
Anfrage:
Objekt:
ADAC Hauptverwaltung
Typ:
Verwaltungsgebäude
Ort:
Dortmund [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
stegepartner 🔗, Dortmund
Materialien:
Beton, Naturstein, Glas
Publiziert:
Architekten & Planer Journal 2006
Seiten:
24 - 29
Inhalt:
[Artikel]      
 

Eine energieeffiziente "Stadtkrone" für Dortmund

ADAC Hauptverwaltung Westfalen

In Dortmund ist an einer prominenten Stelle eine neue eindrucksvolle Visitenkarte der Stadt entstanden. Gleichzeitig wartet dieser Bau sowohl mit einer zeitlosen Architektur, wie auch mit einem nachhaltigen Haustechnikkonzept auf.
Stadtkrone Ost wird das neue Gewerbegebiet genannt. An der östlichen Stadtzufahrt unmittelbar an der großen Schnellstraßenmagistralen, der B1 gelegen, besetzt der natursteinverkleidete Bau mit seiner charakteristischen Ecke sinnfällig dieses Thema. Obwohl dieses Gebäude von seiner zurückhaltenden Fassadensprache weniger Solitär als vielmehr eine vornehme Blockrandbebauung sein möchte, so fällt es doch gerade durch dieses Understatement gegenüber den sonst so typischen, banalen Industriegebietsolitären auf. Städtebaulich definiert das Gebäude der ADAC Hauptverwaltung Raumkanten und gibt zukünftige Fluchtlinien vor, die letztlich nur noch darauf warten, entlang der B1 entsprechend fortgeführt zu werden.
Der Bau selber besitzt eine kammartige Struktur: Während sein Rücken gegen die nahe Autobahn gerichtet ist und die Bürotrakte auch von dem Verkehrslärm abschirmt, öffnet sich das Gebäude auf der anderen Seite mit Innenhöfen zur Landschaft. Diese Orientierung an den verkehrsmäßigen Gegebenheiten korrespondiert gleichzeitig mit der optimalen Ausrichtung des Bauwerks in Hinblick auf die Ausnutzung des Sonnenlichtes: Die Höfe weisen nach Süden, der Ruhrschnellweg liegt im Norden. Bemerkenswert ist ebenfalls die Erschließung der so genannten Nordspange, die über die der Schnellstraße zugewandten Seite im Ein- Bund- Prinzip erfolgt. Dadurch ist kein Büro oder Aufenthaltsraum dem Lärm zugewandt. Belichtet werden diese Flächen wiederum über die Innenhöfe auf eine natürliche Weise.
Aufgrund des vergebenen Straßenverlaufes konnte die orthogonale Kammstruktur im Osten nicht durchgehalten werden. Die Planer nutzten diesen vermeintlichen Nachteil, um dadurch dem Bau seinen unverkennbaren Charakter zu verleihen: sie verzichteten darauf, den östlichsten Büroflügel stur von Nord nach Süd verlaufen zu lassen und schlossen dagegen die Ostecke des Gebäudes mittels einer Diagonalen mit dem zweiten "Zinken" des Kammes kurz. Während nach außen so eine expressive Ecke herausgebildet wurde, die sich prägnant dem nach Dortmund einfahrenden Verkehr entgegenstellt, entstand im Inneren ein dreieckiger, überdachter Innenhof, der zu einer sich über fünf Geschosse erstreckenden, repräsentativen Kundenhalle des Verkehrsclubs ausgebaut worden ist. Streng betrachtet würde man unter Umständen einen derartigen Luftraum als unwirtschaftlich erachten – hier ist er jedoch als Quintessenz aus dem ungünstigen Grundstückszuschnitt bei gleichzeitig intelligenter Anordnung von Bürobünden entstanden. Dabei fungieren die Erschließungswege innerhalb der Halle gleichzeitig als durchlaufende, theaterartige Balkone, die beindruckende Sichtbezüge innerhalb des dreieckigen Volumens gestatten.
Eine weitere Besonderheit des Bauwerkes ist die Erschließung über die Gebäudeecken: Die Haupteingänge zu den Büroeinheiten liegen in vollständig gefassten Innenhöfen, die über eine diagonale Öffnung mit den beiden nördlichen Gebäudeecken verbunden sind. In ihrer räumlichen Qualität kommen diese Atrien denen italienischer Renaissancepalästen nahe. So entstand ein überaus kraftvolles und einladendes Eingangsthema, das jedoch nicht in irgendeiner Form verschwenderisch mit dem Gebäudevolumen umgeht. Geschickt konnten auch hier wieder die Planer aus der Not eine Tugend machen. Der künftige Hauptmieter benötigte unter anderem eine große Lagerfläche, für die sich insbesondere die Nutzung eines Innenhofes anbot. So wurde der viergeschossige Innenhof horizontal geteilt und die unteren zwei Etagen zu der benötigten Lagerfläche ausgebaut, während man den Zugang zu den Büroflächen auf das 2. Obergeschoss verlegte und das nunmehr nur noch zweigeschossige Atrium über eine konisch zulaufende Freitreppe mondän erschloss. Gleichzeitig unterstreicht dieser Aufgang die Funktion der prominenten Ecksituation in Richtung Osten adäquat als „Tor“ zur Stadt.
Neben den wirtschaftlich-funktionalen Erwägungen war eine weitere Auflage des Wettbewerbes, aus dem der Entwurf als Sieger hervorgegangen ist, den Erhalt des alten Baumbestandes zu gewährleisten. Letztendlich wurde die Anordnung der Höfe anhand der Baumpositionen ermittelt. Ferner galt es, die große alte Linde an der B1 selbstverständlich und nicht gezwungenermaßen in das architektonische Konzept zu integrieren - den Baum zu rahmen und nicht zu erdrücken. Dies ist gelungen, indem kein gezwängter Hof für den Baum erdacht wurde, sondern die gesamte Flucht des Gebäudes entlang der Autobahn jeweils um wenige Grad von Osten und Westen zu einem gemeinsamen Schnittpunkt neben der Linde nach Süden projiziert wurde. So entstand eine asymmetrische ausdrucksvolle Fassadenbewegung entlang der Schnellstraße, die den monolithischen Charakter des Konzepts plastisch unterstützt.
Der Bau ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie man schon durch die richtige Anlage der Grundrisse ein Maximum an ökologischer Effizienz erzielen kann: Nach Norden zeigt sich der Bau geschlossen und repräsentativ. Es ist die Eingangs- und Schauseite des Bauwerkes, weswegen hier nur mit einem geringen Glasanteil und der Natursteinfassade gearbeitet wurde. Die schweren Baumassen im Norden fungieren einerseits als Energiespeicher und klimatischer Puffer für das gesamte Gebäude, zudem verhindern sie durch ihre gute Isolation das unnötige Abstrahlen von Wärmeenergie.
Nach Süden hin verändert der Bau vollständig sein Gesicht. Die geschlossene Natursteinansicht wird von einer brüstungsfreien Glasfassade abgelöst. Leichtigkeit und Transparenz sind jetzt die vorherrschenden Merkmale. Besonders an kalten Wintertagen kann die tiefstehende Sonne weit mit ihren Strahlen in das Gebäude vordringen und die Heizlast merklich senken. Die geschosshohen Glaselemente alternieren immer zwischen einer opaken farbigen Festverglasung und einer transparenten Einheit in einem Drehkippflügel- Beschlag. Um auf das Anbringen eines Geländers verzichten zu können und trotzdem das Öffnen der Fenster zu ermöglichen, besitzen die Beschläge eine automatische Arretierung bei einem Öffnungswinkel von ca. 15°. Diese Sperre kann mittels eines Schlüssels für Wartungszwecke deaktiviert werden.
Die Fassade kann mittels Screens verschattet werden. Diese absorbieren wie auch die opaken farbigen Glasscheiben so stark die direkte Sonneneinstrahlung, dass einerseits weiterhin blendfrei an den überwiegenden Computerarbeitsplätzen gearbeitet werden kann, andererseits wird aber der Blickkontakt zur Außenwelt nicht vollständig unterbunden. Der Nutzer kann weiterhin das Wettergeschehen in der Außenwelt wahrnehmen. Ein Umstand, den Arbeitspsychologen als enorm wichtig für einen gesunden und nachhaltigen Arbeitsplatz erachten. Die Verschattung wird in der Regel über ein Wächtersystem gesteuert, das mit einer Wetterstation verschattet ist. Daten des Sonnenstandes aber auch Niederschlag und Wind werden dabei ermittelt und digital für die einzelnen Fassadenabschnitte ausgewertet. In der Regel braucht der Büronutzer nicht regelnd einzugreifen, um durchgehend optimale Arbeitsbedingungen anzutreffen. Nichtsdestotrotz steht es ihm jedoch frei über eine dezentrale Raumsteuerung die Verschattung seinen individuellen Bedürfnissen anzupassen.
Neben einer vernünftigen Fassaden- und Grundrisskonzeption, haben die Architekten eine thermische Betonkernaktivierung integriert. Die Betondecken können hierbei aufgrund ihrer großen Speichermasse zum Kühlen und Wärmen genutzt werden. Diese zukunftsorientierte effiziente Lösung führt zu Wärme oder Kälte emittierenden Decken mittels wasserdurchflossener Register in Modulbauweise. Ihre Montage folgte dabei – wie auch weite Teile der gesamten Rohbaukonstruktion – dem Konzept einer ressourcenschonenden Energiebilanz, welches den intensivierten Einsatz von Betonfertigteilen vorsieht. So kamen bei der Deckenkonstruktion vorproduzierte Filigrandecken zum Einsatz, auf welchen zunächst das Schlauchsystem der Bauteilkühlung befestigt wurde, bevor die Elemente mittels Ortbeton zu ihrer entgültigen Konstruktionsstärke aufbetoniert worden sind. Da die Fertigteile als verlorene Schalung fungieren, konnte sowohl in erheblichem Maße Schalmaterial eingespart und zudem durch die Vorproduktion im Werk der energetische Aufwand zur Herstellung deutlich reduziert werden.
Da die Vorlauftemperaturen bei dem System gering sind, kann die Gebäudetemperatur zusätzlich über Wärmepumpen reguliert werden. Hierzu werden Nachtluft-, Erdkühlenergie aber auch Niedrigtemperatur- Heizenergie kostengünstig in die Betondecken eingespeist. So wird während der Nutzungszeit die Abwärme der Räume aufgenommen bzw. außerhalb der Bürozeiten Energie wieder abgegeben, um die Temperatur möglichst konstant zu halten. Transportiert wird die Kühl- und Heizenergie mit dem Element Wasser – getreu dem Energiespargrundsatz: Wasser zum Heizen und Kühlen, Luft nur zum Lüften. Durch die Betonkerntechnologie wurde schließlich nur ein Minimum an Bodenkonvektoren benötigt. Sie konnten mit einem Gitter nach oben abgeschlossen bündig in den Fußbodenaufbau im Fensterbereich integriert werden. Sie dienen gleichzeitig einer Nutzer-orientierten Akzeptanzsteigerung, da mit ihnen wirksam Kälte- oder Zugerscheinungen entgegengewirkt werden konnte. Ebenso entfiel die Notwendigkeit zur Installation einer abgehängten Decke, da keine Lüftungsanlage installiert werden musste.
Alles Faktoren, die eine optimalere Nutzungs- und Gestaltungsfreiheit der Räume gestatteten. Das Konzept erfordert nur einige wenige relativ kleine Haustechnikzentralen, die zudem unabhängig im Gebäude angeordnet werden konnten. So wurden zusätzliche Kosten durch lange Energietransportwege vermieden. Der geringere Aufwand an Geräten senkt zudem die Betriebskosten. Auch werden die Luft- und Staubbewegungen deutlich verringert.
Der Bau verdeutlicht auf eine sinnfällige Art und Weise, dass ein ressourcenschonendes, ökologisch durchdachtes und nachhaltiges Gebäude mitnichten nur unter Verwendung einer technoiden Formensprache zu realisieren ist, sondern auch im Rahmen einer massiven und zeitlosen Architektur.
Robert Mehl, Aachen