Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Yoga-Tempel
Typ:
Pavillon
Ort:
Tulum [Satellit]
Staat:
Mexiko
Architekt:
Materialien:
Bambus, wenig Stahl, Zacate
Publiziert:
structure 21.08.2019
Seiten:
online
Inhalt:
[Artikel]      
 

Yoga- Tempel in Tulum

Bedachter Sonnengruß

Ganz im Osten Mexikos entstand im Küstenort Tulum als Zentrum eines nachhaltig ausgerichteten Stadtentwicklungsprojektes ein fünfseitiger, offner Meditationspavillon. Sowohl sein geflochtenes Tragwerk, wie auch seine Dachflächen bestehen aus lokal gewonnenem Bambus.
An der Ostküste der Halbinsel Yucatan, dort wo Mexiko Kuba nahekommt, liegt der beliebte Küsten- und Ferienort Tulum. Sein urbanes Wachstum ist entsprechend intensiv und drängt zunehmend in den Regenwald hinein. Die behördlichen Auflagen sind entsprechend restriktiv und zielen auf einen maximalen Naturschutz ab. Der auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Bauinvestor Lúum Zama hat sich deshalb dazu verpflichtet, auf 50 % seines 8 ha großen Baugrundes nicht nur die vorhandene Vegetation zu erhalten, sondern zudem eine Wiederaufforstung von heimischen Pflanzen durchzuführen. Darüber hinaus setzt das Untenehmen auf eine naturnahe Bauweise, die an das Klima formal wie konstruktiv angepasst ist.
Im Zentrum dieses Siedlungsprojektes steht inmitten eines "kultivierten" Dschungel und nur zu Fuß erreichbar - ein fünfseitiger Meditationspavillon aus Bambus. Er ist gedacht sowohl als individuelles Refugium, insbesondere für Yoga, aber auch als Bewohnertreffpunkt. Inspiriert ist der Bau von den Arbeiten des großen spanisch-mexikanischen Architekten Felix Candela, allem voran dem 2003 eröffneten Ozeanum im spanischen Valencia.
Wie bei Candela besteht der Bau aus fünf Bögen, die jeweils schmale, nach vorne geneigte Rundgauben bilden und deren Tonnendächer einander seitlich durchdringen. An diesen Schnittkurven entstehen regelmäßige Grate, die den Tiefpunkt der Dachflächen bilden und über die seine Entwässerung erfolgt. Unterhalb dieser Grate verlaufen fünf weitere 90°-Tragbögen, die sich mittig in einer Vierung - eigentlich müsste man hier von einer "Fünfung" sprechen - treffen. Dieser Knotenpunkt im Gebäudezentrum ist als offenes Oculi, als ein rundes Oberlicht ausgelegt.
Aus der Anlage der Konstruktion ergeben sich sechs tragende Knotenpunkte - fünf auf der Bodenplatte und besagtes Oculi - welche die einzigen Materialausnahmen darstellen und aus Stahl bestehen. Alles übrigen Bauteile wurden aus nachwachsenden Rohstoffen erstellt:
Das Tragwerk besteht aus Bambus, die Dachhaut ist Zacate - ein Grasdach.
Bambus zu Bogenscharenbr> Die besagten stählernen Knotenpunkte weisen Köcher auf, in die elliptische Holzbögen eingeschoben sind. Diese bestehen aus Bambusstockscharen, die in einem strukturellen Dreiecksmuster miteinander verwoben wurden und so jeweils einen fortlaufenden Strang bilden. Dessen Krümmung wurde zwar parametrisch am Rechner entwickelt, jedoch vor Ort von Handwerkern zusammengesetzt und mittels Kaltverformung gebogen. Auf das gekrümmte Tragwerk wurde eine rautenförmige Unterkonstruktion aufgebracht, dessen einzelne Holme jeweils gerade, jedoch zueinander geneigt sind, wodurch die Dachwölbung erreicht wurde. Im Grunde handelt es sich hierbei um eine Variante eines "Zollinger- Daches". https://www.structure-magazin.de/artikel/das-ei-des-zollinger-vogelobservatorium-bei-rotterdam-34155 Das so generierte Rautennetz wurde mit einer hinreichend parallelen Dachlattung beplankt, auf der das Zacate, ein Grasdach, fixiert wurde. Dank der Stahlknoten soll der Pavillon sogar Hurricankräften widerstehen.
Robert Mehl, Aachen
https://www.structure-magazin.de/artikel/bedachter-sonnengruss-yoga-tempel-in-tulum-mexiko-34547