Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Serielles oder modulares Bauen
Typ:
Rahmenvertrag
Ort:
bundesweit
Staat:
Deutschland
Architekt:
Materialien:
Elementierte Bauteile
Publiziert:
BB 34/2018
Seiten:
24 - 27
Inhalt:
[Artikel]      
 

Serieller Wohnungsbau in Deutschland

Schneller Wohnen

In Deutschland hat der GdW, der Bundesverband der Wohnungswirtschaft, mit neun Baukonsortien Rahmenverträge für ein beschleunigtes serielles oder modulares Bauen geschlossen. Dem voraus ging ein europaweiter Ideenwettbewerb für eine beschleunigte Planung und Errichtung von Neubauten. Gewonnen hat diesen die Ed. Züblin AG zusammen mit Hullak Rannow Architekten mit einem seriellen Holzbaukonzept.
Meist wird es falsch verstanden: Serielles Bauen ist eben NICHT modulares Bauen, eigentlich widersprechen sich die Prinzipien sogar. Gemeinsam haben die beiden lediglich, dass sie den Neubau erheblich beschleunigen, weshalb der GdW bewusst beide Optionen zu diesem Ideenwettbewerb zuließ.
Modulares Bauen ist wie das Stapeln von Überseecontainern auf einem Schiff: Eine autarke Einheit wird auf die nächste gestellt, gesichert und technisch gekoppelt.
Serielles Bauen kann man mit dem Spielen mit Legosteinen vergleichen: Man setzt feste Einheiten aneinander, man schnitzt sich jedoch keinen halben Noppenstein selber. Dies beschleunigt das Bauen und Planen, da die jeweiligen Anschlüsse im Vorfeld definiert sind.
Natürlich keine Noppensteine, aber ein standardisiertes Planungskonzept, bei dem fertige Wand- und Deckenelemente in einem Werk vorgefertigt und an der Baustelle nur zusammengesetzt werden, haben die Stuttgarter Ed. Züblin AG und die Ulmer Hullak Rannow Architekten entwickelt. Die Wettbewerbsjury konnten sie durch den hohen Grad der Rationalisierung von Planung und Ausführung sowie die ausgesprochen günstigen Gesamtbaukosten von 2.000 - 3000 €/m² überzeugen.
Optimus - Ein Baustoffmix
Hullak Rannow Architekten nannten ihr Realisierungsprinzip "Optimus", da sie sich eben nicht nur auf eine Materialart festlegen wollten, sondern sich bei allen konstruktiven Details für den jeweils optimalen Baustoff entschieden.
Alles basiert bei ihnen auf einem dreidimensionalen Traggitter aus Betonfertigteilen mit einem horizontalen Achsmaß von 3,70 m. Auf 24 x 30 cm messenden, also rechteckigen (!) Tragstützen ruhen gleichartige Unterzüge, die mit Filigrandecken abgedeckt werden. Darauf liegt in der Regel ein Trockenestrich mit Fußbodenheizung. Sofern die Bauzeit es zulässt, bevorzugen sie jedoch Flüssigestrich, weil dieser effizienter die Heizwärme leitet. Die Innenwände wie auch die Fassade bestehen hingegen aus Holzkonstruktionen. Der nachwachsende Baustoff ist leicht zu verarbeiten und weist hervorragende Wärmedämmeigenschaften auf.
Die achsiale Geschosshöhe beträgt 3,02 m und misst 2,65 m im Lichten. Der Architekt Jens Rannow weist darauf hin, dass die Geschosshöhe nicht so obligat ist wie das Grundrissraster. Machbar wären auch großzügigere Deckenhöhen und - wenn erforderlich - auch Abhangdecken. Letztlich würden diese individuell für das Gebäude entwickelt.
Holz an Beton
Der Anschluss einer Holzwand an eine Betonständerkonstruktion ist ungewöhnlich; dies ist allerdings weniger konstruktiv bedingt, sondern mag seine Ursache eher in den dahinterstehenden Lobbyverbänden haben. Bei Optimus werden die hölzernen Innenwände en-bloc in das Betongitter geschoben und die offenen Stoßfugen entweder mit Dichtungsband geschlossen oder wie Fenster in ihrer Laibung ausgeschäumt. Wie bei einem alten Fachwerkhaus bilden diese Trennwände so Gefache zwischen dem Tragwerk. Die vorgefertigten Holzständerelemente sind an ihren Stirnseiten mit Holzlaschen verblendet; es ist eine "verlorene Schalung", unsichtbar nach dem Einbau.
Holz vor Beton
Die Außenwand, mithin die Fassade, wurde hingegen vor die Gitterstruktur aus Beton gestellt und von den Geschossdecken abgehängt. Innenseitig besteht die 36 cm starke Außenwand aus einer mit Gipskarton beplankten Grobspanplatte (OSB). Diese sitzt auf einem Holzständerwerk, dessen Hohlräume mit einer Cellulosedämmung ausgeblasen sind. Außen schließt das serielle Element eine Brettschichtholzlage (BSH) ab. Auf diese ist die Dampfsperre aufgebracht. Es folgt eine Konterlattung, um eine Hinterlüftung zu schaffen, auf der schließlich die sichtbare Fassade aufgenagelt ist. Diese besteht aus einer Vertikallattung wahlweise aus sibirischer Lärche oder nordischer Fichte, behandelt mit einer Vergrauungslasur. Die Fensteröffnungen sind grundsätzlich geschosshoch angelegt, die Brüstungen sind Festverglasungen. Unschöne Radiatoren entfallen mit der erwähnten Niedertemperatur- Fußbodenheizung.
Balkone vor der Fassade
Optional sieht das prämierte serielle Wohnungsbaukonzept seitlich eingehauste 1,50 m tiefe Balkone vor, die mit ihrer geringen Fläche von knapp 5 m² zurecht in den Plänen bescheiden als Freisitze ausgewiesen werden. Auch sie bestehen aus einer Holzkonstruktion, die erst nachträglich an das Rohbaugerüst angehängt wird und nicht über einen Korbanker anbetoniert ist.
Modulare Nassräume
Während sowohl in den Außen- wie in den Zwischenwänden die Elektroinstallationen werksmäßig vorbereitet sind und die Lichtstromleitungen an den Elementstößen Anschlusspunkte aufweisen, handelt es sich bei den Nasszellen um vorkonfektionierte Raummodule. Sie werden als Ganzes an die Baustelle geliefert und mit einem Kran an ihre Position gehoben. Grundsätzlich weisen die Bäder keine Außenwände und damit auch keine Fenster auf. Geschossweise übereinander angeordnet sind sie über Schächte verbunden, durch die die Sanitärverrohrung und die Lüftungskanäle geführt sind.
Kern bleibt Kern
Von Nachteil ist die Holzausfachung hinsichtlich der Gebäudesteifheit, weshalb bei den Optimus- Gebäuden mit einem Betontreppenkern gearbeitet wird. Angeschlossen daran ist sowohl der Aufzugs- wie auch der Hauptversorgungsschacht. Aufzüge sind im mehrgeschossigen, staatlich geförderten Wohnungsbau obligat, um zumindest eine behindertengerechte Erschließung sicherzustellen.
Flachdach
Bekrönt werden diese seriellen Wohnungsbauten von Flachdächern. Wie auch die Geschossdecken bestehen sie aus Filigrandecken, die jedoch keinen Estrichbelag aufweisen, sondern mit Hartschaumdämmplatten belegt sind. Darauf wird eine klassische Dachbahn aufgebracht, die seitlich zu einer Attika hochgezogen wird. Es bleibt dem Bauherrn überlassen, diese zu bekiesen, extensiv zu begrünen oder sie einfach pur zu belassen. Zudem wollte der Architekt Jens Rannow ein geneigtes Satteldach nicht ganz ausschließen: Auch dies wäre machbar.
Keller als Hohlwandkonstruktion
Im Vergleich zu den aufgehenden Hochbauteilen ist der Vorfertigungsgrad des Kellers ein geringer. Grundsätzlich dient dieser dazu, den vielfältigen Baugrund für das serielle Baukastensystem vorzubereiten. Erstellt wird der Keller aber nicht als klassischer Ortbetonbau mit einer Holzschalung, sondern mit Hohlwandelementen. Dabei werden die dünnen Betonfertigteile als verlorene Wandschalung aufgestellt und deren Zwischenraum mit Ortbeton verfüllt.
Was geht
Auf den europaweit ausgelobten Ideenwettbewerb bewarben sich 50 Arbeitsgemeinschaften, von denen neun um eine vertiefende Ausarbeitung gebeten wurden. Darunter waren sowohl serielle wie auch modulare Baukonzepte. Neben der stark verkürzten Bauzeit haben beide Prinzipien gemein, dass sie sowohl in einer Low- Budget- Variante als auch in einer De- Luxe- Version realisierbar sind.
Mit den Anfängen des seriellen Bauens in den 1930er- Jahren hat dies jedoch nichts mehr gemein. Wir erinnern uns: Damals herrschte in den Großstädten eine ähnliche Wohnungsnot wie heute und Walter Gropius schuf als Bauhaus- Direktor in Dessau- Törten eine erste Fertighaussiedlung. Die gut gemeinte Idee scheiterte an der Baukonstruktion: Schallbrücken, offene Fugen und eine mangelnde Dämmung machten die Siedlung für Mieter nach nur wenigen Jahren extrem unattraktiv.
Was kommt
Aktuell hat die prämierte ArGe vier konkrete Projekte in ganz Deutschland in der Vorplanung. Dabei kommt die gesamte Bandbreite des Konzeptes zur Geltung. Genauere Standorte mag man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht benennen, nur soviel wurde bekanntgeben: Zum einen soll eine siebengeschossige Straßenrandbebauung entstehen, die an die Hochhausgrenze geht, und andererseits ist ein ganzes Quartier avisiert, das mit viergeschossigen Bauten beplant wird. Beide Projekte sollen etwa 200 Wohneinheiten umfassen. Etwas weitgehender ist die Planung für ein kleineres Objekt mit 20 Einheiten; dies hofft man bis zum Jahresende zu realisieren. Schließlich hat man gezeigt: Die Basisplanung steht und, wenn ein Projekt gewollt ist, dann kann es sehr schnell gehen! .
Robert Mehl, Aachen