Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Krankenhaus
Ort:
Aachen [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Materialien:
Stahl, Glas Beton
Publiziert:
metallbau 10/2024
Seiten:
20 - 21
Inhalt:
[Artikel]      
 

Fingerklemmschutz aus Verarbeitersicht

Sicherheit geht vor

In der Ausgabe 7-8/2024 haben wir über normkonformen Fingerschutz berichtet. In diesem Beitrag geht es um die Erfahrungen und die Einschätzung aus Sicht der Errichter. Fachautor Robert Mehl hat mit Erik Sobol gesprochen; er leitet bei Rütü Rüschenschmidt & Tüllmann in Münster die Abteilung Automatiktüren.
Vorweg soll mit einem weitverbreiteten Missverständnis unter Laien aufgeräumt werden. Drehtüren sind keine Karusselltüren! Bei Drehtüren handelt es sich letztlich um ganz normale Türen und in deren automatischer Version um solche, die zusätzlich mit einem motorbetriebenen Öffner ausgestattet sind, der über einen Sensor oder einen Drucktaster angesteuert wird.
Es gilt die Norm EN 16005
Bei solchen sogenannten kraftbetätigten Türen gilt die Maschinenrichtlinie, die in der europäischen Norm EN 16005 aufgegangen ist und heute rechtsverbindlichen Charakter hat. Ausführlich haben wir diese Thematik in der metallbau- Ausgabe 7-8/2024 besprochen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass für automatisch betriebene Türen höhere Sicherheitsanforderungen hinsichtlich der Gefahr gelten, sich an diesen die Finger zu klemmen. Noch einmal verschärft sind die Vorgaben, sofern es besonders gefährdete, regelmäßige Nutzer gibt, wenn also die Automatiktür etwa zu einem Kindergarten oder zu einem Seniorenwohnheim gehört. Dann gilt es insbesondere die Nebenschließkante, also den Türspalt zwischen dem Türblatt und dem Türrahmen bzw. der Türzarge, zu sichern. Mechanische Schutzmaßnahmen sind hier neben verschiedenen Abdeckprofilen sogenannte Fingerschutzrollos – elastische Stoffbahnen, die die Nebenschließkante komplett verschließen. Nicht ganz so kritisch, aber dennoch nicht ungefährlich ist die Fußbodenkante, bei der festgelegt ist, dass die dortige Spalthöhe maximal 8 Millimeter betragen darf. Jeder, der sich schon einmal nächtens den Zeh an einer zu niedrigen Kühlschranktür gestoßen hat, kann erahnen, dass auch hier schmerzhafte Risiken lauern.
Mechanisch oder sensorgesteuert?
Alternativ zu mechanischen Klemmschutzvorrichtungen gibt es auch elektronische Anwesenheits- Sensoren- bzw. Präsenzmelder, die unablässig das Türblatt bzw. den Schwenkbereich abscannen und mit der Steuerung des Antriebs verschaltet sind, welche sofort anhält, sobald ein störendes Signal erfasst wird. Ein Vorteil dieser Sensoren ist, dass sie potenzielle Gefahrensignale schon frühzeitig erkennen können und dass diese Sensorik im Vergleich zu einer mechanischen (wie etwa einem Fingerschutzrollo) günstiger sein kann. Vielfach gespart wird jedoch an der Anzahl der Sensormodule: Auf die richtige Anzahl kommt es an, weshalb tote Winkel unvermeidlich sind. Man kann sich so einen Sensor wie eine Taschenlampe vorstellen: Alles, was im Licht der Lampe einen Schatten wirft, wird erfasst, im Schatten dagegen funktioniert der Sensor nur eingeschränkt. Türgriffe, Klinken und Profilschienen sind solche typischen HindernisseEin weiterer Punkt ist ein möglicher Stromausfall: In einem solchen Fall funktionieren die Sensoren natürlich nicht, mechanische Schutzvorrichtungen dagegen schon.
Angesichts dieser zahlreichen Überlegungen und Kausalitäten vertritt Erik Sobol, Leiter der Abteilung Automatiktüren bei der RÜTÜ Rüschenschmidt & Tüllmann GmbH & Co. KG aus Münster, die persönliche Meinung, dass eine motorbetriebene Tür optimalerweise mit beidem ausgestattet sein sollte. Sie sollte für den tagtäglichen einwandfreien Betrieb mit Sensoren versehen sein und zusätzlich für den Fall der Fälle mechanische Schutzvorrichtungen aufweisen. Denn experimentierfreudige Kinder oder Senioren, die sich etwa mit ihrem Rollator verhaken, oder eben Stromausfälle gibt es immer wieder.
Tatsächlich kommen Unfälle – zumindest die erfassten – mit Automatiktüren sehr selten vor. Erik Sobol kann sich überhaupt nur an einen einzigen erinnern, und dieser liegt schon mehr als zwanzig Jahre zurück. Er geschah also zu einem Zeitpunkt, als die Maschinenrichtlinie noch gar nicht existierte.
Haftungsfrage
Das Thema der Haftung im Falle des Einbaus einer „nonkonformen“ Tür, also einer Sonderkonstruktion, beantwortet Sobol mit der Feststellung, dass RÜTÜ in der Regel nur normkonforme Automatiktüren einbaut. Hier würden sie auch alle gängigen Drehtürantriebe, wie etwa die von Dormakaba oder von Geze, vorhalten, die eine entsprechende Zulassung haben. In ihren entsprechenden Angeboten würden sie in einer solchen Situation jedoch auf die jeweiligen Risiken explizit hinweisen und einen entsprechenden Nachtrag anbieten. Darauf könnte der Kunde eingehen oder nicht. Sie würden dann die Türen liefern wie bestellt, allerdings bei der Endabnahme und somit noch vor der Inbetriebnahme schriftlich auf dieses Manko hinweisen. Damit hätte RÜTÜ die Haftungsfrage rechtsverbindlich geklärt.
Jenseits der Automatiktür
Die Frage, ob Automatiktüren oder normale Türen derzeit stärker im Trend sind, kann Erik Sobol nur schwer beantworten. Seine Abteilung für Automatiktüren, bestehend aus 38 Fachkräften, ist durchgehend gut beschäftigt: Man kann sich nicht beklagen. Aber er kann nicht beurteilen, wie das in anderen Branchensegmenten derzeit aussieht.
Was seine Branche derzeit jedoch beschäftigt, ist eine angemessene Reaktion im Produktportfolio der Lieferanten hinsichtlich Schiebetüren bzgl. der zunehmenden Geldautomatensprengungen. Wie der Leser sicherlich schon zu seinem Bedauern feststellen musste, sind Geldautomaten häufig zwischen 23:00 Uhr und 5:00 Uhr nicht mehr zugänglich. Das Problem hierbei ist, dass dies baurechtlich mit einer einfachen Zeitschaltuhr nicht darstellbar ist, da die meist automatischen Schiebetüren, die es betrifft, gleichzeitig auch als Fluchtwege dienen, sich also auf ein inneres Signal hin immer öffnen müssen. RÜTÜ bietet als einbauende Firma verschiedene Verriegelungsarten an, die man miteinander kombinieren kann. So wären Lösungen bestehend aus einer Zeitschaltuhr und einer zusätzlichen Magnetverriegelung oder einer Motorbremse machbar.
Als eine klassische Fehlerquelle im tagtäglichen Betrieb macht Erik Sobol die mangelnde Fachkompetenz von externen Beratern aus. Auch die Sachkunde der ausführenden Servicekräfte ist ein hohes Gut, bei dem jede Firma gut beraten ist, ihr Personal entsprechend fortzubilden, so dass sie auch diese kritischen Details im Vorfeld erkennen können. Vor kurzer Zeit musste ein Problem gelöst werden, dass bei einer 2,70 m hohen und 1,30 m breiten Tür von externer Seite ein viel zu schwacher Motor eingebaut wurde. Der Betreiber wurde falsch beraten.
Diese Art von Kompetenz ist nicht nur beim eigentlichen Einbau wichtig, sondern auch bei den vielfach damit kombinierten Wartungsverträgen, von denen RÜTÜ über 3.500 geschlossen hat. Denn die EN 16005 die Arbeitsstättenrichtline ASR 1.7 und die Herstellerangabe schreibt vor, dass kraftbetätigte Türen einmal im Jahr gewartet werden müssen. Manche Hersteller, insbesondere die von Fluchtweg- Schiebetüren, sehen sogar zwei Prüfungen in diesem Zeitraum vor.
Motorschäden wie der weiter oben erwähnte sind hingegen selten geworden, moderne Motoren sind durchweg sehr langlebig. Ansteuerelemente bzw. Sensortechnik fallen dagegen schon öfter aus, nicht selten müssen auch Profile oder Fingerschutzrollos ausgetauscht werden. Mechanische Störungen überwiegen bei der Wartung. Entscheidend ist die Nutzerfrequenz, die heutzutage von der Türregelautomatik oft erfasst wird. Typische Wartungsfälle sind zudem abgenutzte Laufrollen und Bodenführungen bei automatischen Schiebetüren. Letztere sind insgesamt etwas wartungsintensiver als Drehtüren.
Und Karusselltüren?
Die gibt es natürlich auch. Ihre Rotation ist in der Regel sensorgesteuert. Sie laufen mit Betreten an und rotieren so lange, bis der Sensor keine Person mehr erfasst. Sie stoppen in der Regel unmittelbar, wenn man das rotierende Blatt berührt, und laufen nach einer kurzen Verzögerung wieder an. Zudem gibt es in der Steuerung die Stellung Dauerbetrieb, wie etwa am Haupteingang des Aachener Klinikums. Da rotieren die über zwei Meter breiten Karussellblätter unentwegt und stoppen nur kurz bei einer Berührung derselben. Selbst mit einem Rollstuhl kann man hier entspannt durchfahren.
Robert Mehl, Aachen
https://www.metallbau-magazin.de/artikel/fingerklemmschutz-4158306.html
Klinikum Aachen: Haupteingang von außen
Klinikum Aachen: Spindel der Karusseltür
Klinikum Aachen: Karusseltürvon innen
Klinikum Aachen: Windfang hinter Karusseltür
Klinikum Aachen: Karusseltür mit Windfang von innen