Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Boothaus M.
Typ:
Ferienhaus mit Bootsgarage
Ort:
Staat:
Österreich
Architekt:
Jürgen Kitzmüller 🔗, Hall/Tirol
Materialien:
Betonfertigteile, Holz, Glas
Publiziert:
Beton Bauteile 2017
Seiten:
52 - 58
Inhalt:
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Ferienhaus am Bodensee

Yacht- Erlebnis

Unweit von Bregenz, an der Fussacher Bucht am Bodensee, ist ein kleines, aber exklusiv-feines Ferienhaus mit integrierter Bootsgarage entstanden. Es besteht fast vollständig aus Betonfertigteilen und wurde innerhalb von nur einem halben Jahr errichtet.
2006 entstand mit der Rheinvorstreckung, einer künstlichen Verlängerung und Eindeichung des Alpenrheins an seiner Bodensee- Mündung, die Fussacher Bucht. An diese schließt sich ein knapp 9 ha großes Ferienhausgebiet an, das auf seiner Südseite vom damals neu geschaffenen Rheindeich begrenzt wird. Städtebaulich bemerkenswert ist, dass die überwiegende Anzahl der Grundstücke – auch die landeinwärts gelegenen – über schmale Kanäle einen direkten Seezugang besitzt und daher in der Regel einen Privatanleger für ein kleines Motorboot aufweist.
Auch die ansonsten für dieses Gebiet geltenden, sehr umfassenden Bestimmungen für den Naturschutz bestehen für das Quartier »In der Schanz« der österreichischen Gemeinde Hard nicht. Bis auf seine Zufahrtstraße ist es allseitig von einem Naturschutzgebiet umschlossen.
Das auf dem 150 m² großen Grundstück stehende 2,5-geschossige Ferienhaus nimmt tatsächlich das »Filetstück« des gesamten Quartiers ein, da es annähernd in der Mitte der trichterförmigen »Hafeneinfahrt« liegt und somit als einzige Parzelle über einen unverbauten Seeblick verfügt. Anders als man denken sollte, war das Grundstück in bequemer Motorbootdistanz zur weltberühmten Bregenzer Seebühne nicht teuer; es wurde im Rahmen eines anonymen Bieterverfahrens durch die öffentliche Hand quasi verlost. Zuvor befand sich hier ein Liegeplatz der Wasserschutzpolizei mit einer kleinen Zweckbaracke. Mit Schaffung der Rheinvorstreckung war dieser ungünstig zu erreichen, weshalb die Gemeinde beschloss, ihn zu veräußern.
Bauherrenglück
Dies las die Nachbarin des Architekten Jürgen Kitzmüller in Lech am Arlberg und beschloss auf gut Glück mitzubieten. Tatsächlich erhielt sie mit einem moderaten Angebot den Zuschlag und beauftragte ihren Nachbarn mit der Ausführung. Sie wünschte sich ein Sichtbetonhaus mit einem Holzdachstuhl, ansonsten ließ sie ihm freie Hand.
Ufergründung
Im Grunde bestand das Grundstück aus wenig mehr als einem kleinen Hafenbecken (ehemals für das Polizeiboot), das zu überbauen war. Man hätte es verfüllen können, aber die Architekten machten aus der Not eine Tugend: Sie überbauten das vorhandene Becken mit einem Haus, die Idee einer Bootsgarage war geboren.
Im Bebauungsplan des Quartiers wird festgestellt, dass die Bebauung grundsätzlich nicht für eine permanente Bewohnung angelegt sein soll. Des Weiteren wird eine Dachneigung zwischen 15 ° und 30 ° vorgeschrieben (der jedoch nicht alle Gebäude entsprechen), außerdem wurden eine Traufhöhe von 5,00 m und eine Minimaldistanz von 3,00 m zur Grundstücksgrenze und damit mindestens 6,00 m zur Nachbarbebauung festgelegt.
Größtes konstruktives Problem des Projektes war seine Gründung mittels Stahllarsson- Spundbohlen, bedingt durch seine Lage direkt am Seeufer. Viel Uferschlamm musste weggebaggert werden, um Betonbohrpfähle in den Boden zu treiben. Diese reichen etwas über die mittlere Wasserhöhe des Bodensees hinaus, auf sie stellte man einen Fundamentkranz aus Ortbeton.
Haus aus Fertigteilen
Während sich das Gebäude zum See hin mit seiner Bootsgarage im Erdgeschoss und dem darauf aufsitzenden vollverglasten, zweigeschossigen Wohnbereich vollkommen öffnet, erscheint es landseitig hermetisch geschlossen. Diese drei Seiten bestehen aus Betonfertigteilen, die auf der erwähnten Fundamentkonstruktion aufsitzen. Im Erdgeschoss, also auf dem Niveau der Bootsgarage, wurden diese sowohl aus thermischen Gründen als auch als vorbeugender Hochwasserschutz in Sichtbeton, jedoch massiv ausgeführt. In den Wohnbereichen darüber finden sich hingegen Sichtbetonsandwichelemente. Hier sitzt eine 14 cm starke Hartschaumdämmung zwischen zwei jeweils 8 m starken Betonschichten. Beide Geschossdecken wurden in Ortbeton ausgeführt, zur Queraussteifung im Falle eines Hochwassers.
Drei Materialien im Wechselspiel
Jürgen Kitzmüller hat sich bei der Innenraumplanung dieses Projektes auf die Verwendung von drei Grundmaterialien beschränkt: Sichtbeton, Holz und weiß gestrichene Putzflächen.
Im Eingangsgeschoss, direkt über der Garage, findet man im Innern Sichtbetonwände und einen Teak- Holz- Boden, der mit seinen schwarz gekitteten Fugen ein Schiffsdeck zitiert. Die Decke ist hier weiß gespachtelt. Eine Ebene höher finden sich dagegen ein geschliffener Betonestrich, weiß verputzte Wände und die Untersicht in den offenen Holzdachstuhl. Die Wahl des Wandmaterials orientierte sich auch an pragmatischen Erwägungen, da sich die Wandflächen der in der obersten Ebene untergebrachen beiden Kinderzimmer für die Hängung unterschiedlichster Dinge eignen sollten. Dies gilt auch für die inneren Trennwände, die im gesamten Haus in Gipskarton ausgeführt sind. Die Eltern schlafen ein Geschoss darunter, hier entschied man sich für Sichtbetonflächen.
Hölzerner Dachstuhl
Die Holzkonstruktion des Daches nimmt man erst auf den zweiten Blick wahr, da der Architekt bewusst ohne einen Dachüberstand gearbeitet hat. Traufe und Ortgang gehen direkt in das Abdeckblech seiner seitlichen Verkleidung über. Es besteht aus einer massiven Aufsparrendämmung, auf der die wasserführende Abdichtung aufgebracht wurde. Die Untersicht wurde als Diagonaldübeldecke aus Vollholz erstellt.
Naturstein in Betonoptik
Betreten wird das Gebäude über eine außen liegende Betonfertigteiltreppe, die von der Zufahrtsstraße auf die seeseitige Terrasse führt. Eine verriegelbare Schiebetür verhindert ungebetenen Zugang, die eigentliche Haustür ist in die große Glasfassade integriert. Konstruktiv ist die Terrasse der Obergeschossdecke vorgelagert, der Architekt inszeniert den Übergang dadurch, dass er den Teak- Holz- Boden des Innenbereiches auch noch weitere drei Dielenbreiten vor die Glasfassade laufen lässt. Erst dann beginnt der eigentliche Terrassenbelag aus großformatigen Natursteinplatten, einem dem Sichtbeton nicht unähnlichen grau-weißen Granit, der auf Stelzlagern ruht. Die Terrasse bildet zu ihrem seitlichen Zugang hin eine Nische, die sich weit unter das Satteldach zurückzieht. Hier kann man auch in der kühleren Jahreszeit windgeschützt im Freien sitzen.
Gang durch das Gebäude
Im Erdgeschoss befinden sich zwischen der offenen Bootsgarage und der seitlichen Zugangstreppe eine PKW- Garage sowie ein kleiner Abstellraum. Von der Terrasse aus gelangt man zuerst in eine großzügige Wohnküche, hinter der gleich das elterliche Schlafzimmer liegt. Linker Hand trennt eine geschlossene Betonwand die erwähnte Terrassennische von einem kleinen Wohnzimmerbereich. Hier setzt auch eine zweite Betonfertigteiltreppe an, die in das Geschoss darüber führt.
Weniger ist mehr
Zweifellos sind hier keine kostengünstigen Materialien verwendet worden. Das Projekt zeigt eindrücklich, wie man mit einigen wenigen klassischen, dafür aber hochwertig verarbeiteten Materialien nicht nur tolle Architektur, sondern auch echte Lebensräume schaffen kann.Robert Mehl, Aachen